Ein personell "unvollständiger" Prozess wurde kürzlich am Amtsgericht Bad Neustadt verhandelt. Sowohl einer der beiden Angeklagten glänzte durch Abwesenheit als auch das vermeintliche Opfer einer Schlägerei, um die es bei der Verhandlung gehen sollte. So saß nun ein 25-jähriger Thüringer allein auf der Anklagebank und musste sich wegen schwerer Körperverletzung verantworten.
In der Anklage wurde dem Mann vorgeworfen, einen etwa gleichaltrigen Mann kurz vor Weihnachten 2019 auf einer Bahnfahrt zwischen Würzburg und Mellrichstadt mehrfach geschlagen und getreten zu haben. Außerdem soll ein weiterer Mann, der versucht haben soll, die Auseinandersetzung zu schlichten, ebenfalls Schläge abbekommen haben. Tatsächlich ließen sich die Vorgänge in dem Zug durch die Zeugenaussagen aber nicht genau rekonstruieren.
Andere Fahrgäste belästigt
Einem 30-jährigen Berufsmusiker sei eine Gruppe, zu der der Angeklagte gehörte und die nur aus Männern bestand, schon im Bahnhof von Würzburg aufgefallen, weil sie grölend umherzog und andere Fahrgäste belästigte. Der Mann konnte bei der Verhandlung nach Vorlage verschiedener Fotos auch einen Teil der Gruppe identifizieren - darunter den verbliebenen Angeklagten. Allerdings konnte der Zeuge nicht genau zuordnen, wer das Opfer traktierte, das schon einige Verletzungen aufwies.
Das Opfer selbst konnte nichts zu den Vorgängen sagen. Der Mann soll obdachlos sein und war nicht auffindbar. Der Angeklagte äußerte sich nicht während der Verhandlung.
Eine weitere Mitreisende machte erhebliche Erinnerungslücken geltend. Die 23-jährige Studentin aus Erfurt gab aber an, dass es sich wohl um eine etwa zehnköpfige Gruppe von Anhängern des Fußballklubs FC Halle gehandelt haben dürfte, der eine Woche vor dem Vorfall in einem Dritt-Liga-Spiel gegen die Würzburger Kickers eine deftige Niederlage kassiert hatte. An besagtem Tag sollen sich die Hooligans auf der Rückreise von einem weiteren Spiel befunden haben. Die junge Frau hatte entsprechende Fan-Artikel erkannt, die ein als Zeuge geladener Zugbegleiter allerdings etwas unschlüssig als "Faschingskostüme" beschrieb, zumal auch von Perücken die Rede war, die einige Mitglieder der Gruppe getragen haben sollen.
Schläge und Tritte kamen aus der Gruppe
Der Bahnmitarbeiter wie auch ein weiterer Zeuge, ein 26-jähriger Ingenieur aus Bad Neustadt, erklärten beide, dass die Tritte und Schläge aus der Gruppe kamen, die aber immer wieder durch das Opfer selbst angestachelt worden sei. Gleichwohl der Mann, der einmal auch als Punker beschrieben wurde, schon erheblich geblutet haben soll, soll er seine Kontrahenten weiter angeschrien und zum Weitermachen aufgefordert haben.
Letztendlich konnte dem Angeklagten die Beteiligung nicht eindeutig nachgewiesen werden. Zumal in mehreren Aussagen von einem Mann "mit roten Haaren" - die der Angeklagte nicht hat - die Rede war. Der soll besonders aktiv bei der Schlägerei aufgetreten sein. Gegen den Angeklagten wurde schließlich das Verfahren gegen Zahlung von 2000 Euro eingestellt.
Der zweite Angeklagte, der in einem Telefonat zu Verhandlungsbeginn erklärt hatte, dass er gerade eine Prüfung zu absolvieren habe, muss sich dagegen nun bei einer weiteren Verhandlung verantworten. Dann könnte eventuell auch das vermeintliche Opfer zu Worte kommen. Denn wie sich kurz nach der Verhandlung herausstellte, könnte der Betroffene in einem Obdachlosenheim wohnen, dessen Anschrift bekannt sei.