Am Freitagnachmittag um 16.21 Uhr war es wieder soweit. Mit Trillerpfeifen und Plakaten zogen rund 100 vornehmlich junge Teilnehmer bei der "Fridays for Future"-Demonstration vom Busbahnhof in die Innenstadt. Auf dem Marktplatz angekommen, gehörte ihnen bei Kundgebungen erneut die ganze Aufmerksamkeit. Und genau darum geht es den Organisatoren wie den Teilnehmern. Sie wollen die Bürger wie die Politik wach rütteln, damit jeder einzelne mehr für den Klimaschutz tut.
Seit August vergangenen Jahres demonstrieren weltweit nach dem Vorbild der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg junge Leute für einen energischen Kampf gegen den Klimawandel. "Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Zukunft klaut", heißt auch seit Ende April in Bad Neustadt jeden Freitagnachmittag der Schlachtruf der Demonstranten bei ihrem Zug in die Innenstadt. "In der Politik ist noch nichts passiert", wetterte Frederik Dürr, 13 Jahre aus Münnerstadt, in seiner Rede vor den Demonstranten. Und so lange nichts passiert, so lange wollen die jungen Leute auf die Straße gehen und demonstrieren. Doch das ist längst nicht mehr alles. Das "Fridays for Future"-Team aus Bad Neustadt plant neben den allfreitäglichen Demonstrationen weitere Aktionen. So lange bis sich irgendwas tut in Sachen Klimaschutz.
"Mit Demonstrationen eine tolle Plattform gefunden"
"Wasser, Wind und Sonne! Kohle in die Tonne!", schreit Pauline Beck ins Mikrofon des viel zu kleinen Lautsprechers. Die Demonstranten stimmen mit ein, rufen und singen fleißig mit. Pauline Beck aus Unsleben macht derzeit eine Ausbildung zur Erzieherin und hat gemeinsam mit Merle Seufert aus Mühlfeld die Demoserie ins Leben gerufen. "Wir haben schon lange vorgehabt, mehr für den Klimaschutz zu tun", sagt Merle Seufert, die sich in der Ausbildung zur Ergotherapeutin befindet. "Mit den 'Fridays for Future'-Demonstrationen haben wir eine tolle Plattform gefunden!"
Mit so viel Resonanz in der Kleinstadt Bad Neustadt hätten die beiden am Anfang gar nicht gerechnet. Schon zur ersten Demonstration am 26. April waren trotz strömenden Regens rund 70 Teilnehmer gekommen. Mittlerweile gab es fünf Demos und einen Klimastreik mit mehr Teilnehmern als beim ersten Mal. Der Klimastreik fand während der Schulzeit statt, um den Forderungen der Demonstranten mehr Nachdruck zu verleihen. "Es wird auch in den kommenden Wochen wieder Demonstrationen und auch einen weiteren Klimastreik geben", betont Maja Büttner aus Bad Neustadt. Die Zehntklässlerin des Rhön-Gymnasiums ist gemeinsam mit ihrer Schulkameradin Lena Gräfenschnell, ebenfalls aus Bad Neustadt, sofort ins Organisationsteam dazugestoßen. Ganz einfach, weil nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt etwas geschehen muss, um den Klimawandel einzubremsen.
Mehr als nur die Freitagsaktionen
Allein auf die Freitagsdemonstrationen wollen sich die vier Aktivistinnen mit Frederik Dürr als Stammredner aber nicht verlassen. "Fridays for Future" bleibt Kern der Aktionen, aber nicht die einzige. Einen Klimaschutztag gab es bereits auf dem Hof eines Biolandwirts. Den soll es in Zukunft noch öfters geben. Gespräche mit Politikern sollen folgen, Podiumsdiskussionen und vieles mehr. Kreisrätin Birgit Zirkelbach-Reder kündigte an, die Demonstrationsteilnehmer in eine Kreistagssitzung einzuladen. Denn längst ist aus der Freitagsdemonstration mehr erwachsen, als mancher kopfschüttelnde Besitzstandswahrer am Straßenrand glauben mag. Die jungen Leute organisieren sich, es gibt eine lokale WhatsApp-Gruppe zum Diskutieren und Fragen stellen. Daneben gibt es eine WhatsApp-Gruppe für das Organisationsteam. Eingeladen wird über die Zeitungen, meist aber übers Internet - via Instagram. Das alles will gepflegt, betreut, beobachtet werden. In der Freizeit, versteht sich.
Wer die Demonstranten, die stets in Bad Neustadt nach Schul- und Arbeitsschluss freitags auf die Straßen gehen, noch immer als lernunwillige Schulschwänzer abkanzelt, der tut den jungen Leuten Unrecht. Die Organisatoren machen nämlich viel, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Es bleibt ihnen ja auch gar nichts anderes übrig, als weiter zu streiken, zu rufen, zu singen und damit an die Bundesregierung und an die Regierungen weltweit zu appellieren. Zum Beispiel zur Melodie von Bruder Jakob: "Schwester Angie, Schwester Angie, schläfst du noch, schläfst du noch? Hörst du uns nicht streiken, hörst du uns nicht streiken? ..."
Die nächste "Fridays for Future"-Demonstration findet am Freitag, 7. Juni um 16.21 Uhr statt. Treffpunkt für Jung und Alt ist am Busbahnhof. Alle Demonstrationen innerhalb Deutschlands finden sich auf der Website www.fridaysforfuture.de.
Naturschutz beginnt im kleinen.