
Wo die Glaubensgemeinschaften schrumpfen, werden Kirchen geschlossen – in England weitaus mehr als in Deutschland. Aus den still gelegten britischen Kirchen werden die nicht mehr benötigten historischen Orgeln abgebaut und nach Deutschland transferiert. Die Orgelbauwerkstatt Hey aus Urspringen tritt den gegenläufigen Weg an: „Wir liefern erstmals in unserer Firmengeschichte eine neue Orgel nach England, die zweite wird in zwei Jahren folgen“, sagen Thomas Hey und sein Vater Herbert nicht ohne Stolz.
Orgelbaumeister Herbert Hey berichtet, dass Orgeln aus England in Deutschland gefragt sind. „Das ist ein Trend, weil neben vielen anderen Kriterien der Klang der englischen Orgeln aus der romantischen Epoche sehr weich und tragfähig ist“, sagt Thomas Hey. Daher vermitteln oder kaufen deutsche Orgelbauer Instrumente aus England, restaurieren sie und bauen die Instrumente dann kostengünstig in deutschen Kirchen ein. Dass ein deutsches Orgelbauunternehmen eine neue Orgel nach England liefert, kommt hingegen sehr selten vor, so Hey. Ausschlaggebend dafür war der Kontakt, der im Jahr 2008 mit Kirchenmusikdirektor Colin Baldy aus Maldon (Grafschaft Essex) bei einer Informationsfahrt zu neuen Hey-Orgeln in Deutschland geknüpft wurde.
In Maldon, idyllisch am Meer gelegen, gibt es eine historischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Dort kann die alte Orgel nicht mehr restauriert werden, und so gab es den Auftrag für eine neue Orgel bei der Firma Hey.
In Urspringen entschied man sich, zunächst eine neue Chororgel aus dem Bestand der Firma nach England zu bringen, die dann, nach Einbau der neuen Hauptorgel in zwei Jahren, wiederum an eine andere englische Kirchengemeinde verkauft wird und zur Finanzierung der neuen Orgel beitragen soll.
Das Gehäuse der in Auftrag gegebenen neuen Hey-Chororgel ist aus massiven Thüringer Lärchenholz angefertigt, die Ornamentik aus Ahorn und Eiche. Sie wird sieben Register mit 454 Orgelpfeifen aus Holz und Metall besitzen – die Kleinste mit einer Klanglänge von fünf Millimetern, die Größte ist 2,50 Meter hoch. Die Orgel hat ein Manualwerk mit Pedal und verfügt über geteilte Registerreihen in Bass und Diskant. Somit erreicht man mehr Möglichkeiten für feine Klangkombinationen, sagen die Orgelbauer. Das neue Instrument werde vor allem durch seinen klaren, weichen und vokalen Klang bestechen, heißt es. Hierzu gehört eine fein ausgewogene Intonation der einzelnen Register, die den Chorgesang optimal unterstützen wird, erklärt Orgelbauer Thomas Hey.
Etwas, das gerade in anglikanischen Kirchen von besonderer Bedeutung ist, weil hier der Chorgesang im Zusammenspiel mit der Orgel eine große Rolle bei den Gottesdiensten spielt. Für die Rhöner Orgelbaufirma bedeutet dies, dass sie sensible, mechanische Spieltrakturen bauen wird, die die Artikulation des Organisten präzise umsetzen können. Die neue Hauptorgel aus der Hey-Werkstatt soll spätestens 2017 in der Kirche in Maldon eingebaut werden.
Schon bei der Vorstellung der kleinen Chororgel, die das Rhöner Unternehmen in den vergangenen Tagen in England einbaute, gab es ein feierliches Fest. Dazu war sogar der Bischof aus London angereist, um das Instrument in den kirchlichen Dienst zu stellen. In Kürze wird dann die St. Mary's Church in Maldon grundlegend saniert und bekommt im Innenbereich eine neue Holzempore, auf der die neue Hey-Orgel dann in zwei Jahren stehen wird. Thomas Hey, der sehr gute Kontakte zu Kirchenmusikdirektor Colin Baldy pflegt, sagt, dass dieser schon von der jetzigen Orgel schwärmt. Das neue Instrument soll dieses noch übertreffen.