Schon zum zweiten Mal in dieser Woche war in Mellrichstadt ein kultureller Stadtrundgang angesagt. Stadtführer Karl Naumann begrüßte die Bürgerschar, die sich mit ihm auf die Spuren der Vergangenheit in der Stadt begeben wollte. Bei dieser interessanten Exkursion konnten auch alteingesessene Mellrichstädter noch viel Wissenswertes über ihre Heimatstadt erfahren.
Erster Halt war das untere Tor. Es hatte, ebenso wie das obere Tor, zwei Pforten. In der Mauer auf der linken Seite ist eine kleine Tafel zu Julius Echter angebracht. Es ist eine Nachbildung, die Museumsleiter Rudolf Mauder anlässlich seines 60. Geburtstages aus Spenden hatte fertigen lassen. Das Original befindet sich im Salzhaus. Auf der gegenüberliegenden Seite ist eine Tafel zu Fürstbischof Scherenberg eingelassen, die aber irreparabel ist.
1866 wurde das Tor aufgemacht, weil der Verkehr so groß war – als Schwerverkehr galt damals ein Leiterwagen mit Kühen. Das Tor wurde abgerissen, das obere Tor war zuvor erweitert worden. Auf der Brücke stand auch noch der heilige Nepomuk, der aber 1945 – genau wie sein Namensgeber in Prag – ins Wasser gestürzt wurde. Die Brücke wurde damals gesprengt, um die Amerikaner aufzuhalten, die aber dann über Stockheim nach Mellrichstadt kamen. Mit den Steinen der Brücke wurde dann die Annakapelle renoviert.
Welche Bedeutung die jüdische Gemeinde in Mellrichstadt hatte – am unteren Tor stand ja die Synagoge –, belegte Karl Naumann anhand einer Zeichnung des Stadtkerns. In der Langgasse waren Handwerker wie Seiler, Wagner oder Schuster ansässig. Die Bauerngasse beherbergte hauptsächlich Landwirte. Und die ganze Hauptstraße entlang befanden sich alle Geschäfte in jüdischem Besitz.
Eine besonders schöne Darstellung des früheren Linsenbrunnens befindet sich an einem Haus in der Linsenbrunnengasse. Am Linsenbrunnplatz selbst wurde der Brunnen in Form einer Linse wieder hergestellt. Linsenbrunnplatz heißt es deshalb, weil früher viele Linsen angebaut und nach der Ernte im Linsenbrunnen gewaschen wurden.
„Wir stehen an der Wiege von Mellrichstadt“, verkündete Karl Naumann am nördlichen Ende des Kirchplatzes. Als Ostfranken neu organisiert wurde, war in Mellrichstadt ein Königshof mit Verwaltungs- und Militärstützpunkt. Verbrieft ist, dass 742, als Bonifatius das Bistum Würzburg gegründet hat, auch die einstige Martinskirche unter den 25 Kirchen gelistet war. Etwas größer war dann später die Burkarduskirche mit einem Querschiff im hinteren Teil. 1250 wurde die große Kilianskirche gebaut, mit zwei Pfeilern beziehungsweise zwei Türmen. Mellrichstadt war das Kapitel (heute Dekanat), worin die drei Dekanate Coburg, Mellrichstadt und Geisa zu einem Archediakonat zusammengeschlossen wurden.
Am 17. Juli 1496 gab es ein schweres Gewitter, der Blitz schlug im Nordturm ein, die Kirche brannte nieder und auch drei Viertel von Mellrichstadt. Beim Wiederaufbau der Kirche wurde der Südturm abgebaut und mit diesen Steinen der Nordturm erhöht, auf den noch eine Türmerwohnung und die Kuppel gesetzt wurden. Die große Glocke von 1497 schlägt noch heute. Am Turm selbst sind Kriegsspuren der Amerikaner zu sehen. Dem damaligen Bürgermeister Alfons Halbig hat es Mellrichstadt zu verdanken, dass es keine größeren Schäden abbekommen hat, wusste Karl Naumann zu berichten.
Im Bauernkrieg und im Dreißigjährigen Krieg führte eine Heeresstraße durch Mellrichstadt. Die Bevölkerung hat damals viel gelitten. Als 1648 der Krieg zu Ende war, hatte Mellrichstadt nur noch 350 völlig verarmte Bürger und zwölf Pferde. Im Siebenjährigen Krieg zogen 80 000 Kaiserliche und 40 000 Franzosen durch die Stadt und wollten versorgt werden. 1759 plünderten die Schwarzen Husaren und zündeten 40 Gebäude an. 1830 nächtigte der russische Zar im Nebengebäude der VG. 1813 wurde die Posthalterei mit sieben Pferden und zwei Kutschen im heutigen Kupschmarkt am Roßmarkt eröffnet. Der neue Brunnen am Roßmarkt in Form einer Pferdetränke erinnert daran.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Bahnstrecken Schweinfurt-Meiningen und Mellrichstadt-Fladungen eingerichtet. Im Zuge des Baus der Linie Schweinfurt-Meiningen blieben viele Bauarbeiter aus Thüringen in der Stadt, was zur Gründung der evangelischen Gemeinde führte. Zudem wurden die Brauerei, die Malzfabrik und das Krankenhaus gebaut.
Wo heute die Firma Optik Jahn ihren Sitz hat, wurde 1746 der Arzt Ignaz Reder geboren. Er ist in die Dörfer geritten und hat die Leute kostenlos medizinisch betreut. Gegen die plündernden und mordenden Franzosen hat sich eine Bürgerwehr gebildet, der auch Ignaz Reder angehörte. Als die Wehr bei Bad Neustadt die Franzosen aufhalten und Reder einem verwundeten Franzosen helfen wollte, wurde er erschossen. In Herschfeld ruht er in einem Ehrengrab.
Das alte Schloss war früher Sitz der Gaugrafen, Vorfahren der Henneberger, mit Zehntgericht und Gauvogtei. Am Nordtor stand eine Linde, vor der der Landvogt seine Urteile sprach. Passend dazu gab Karl Naumann ein humoristisches Lied zum Besten. Bis zum 16. Jahrhundert wurden hier Hexen verbrannt und Mörder begraben. In den Malefiz- oder Pulverturm kamen die auswärtigen Gauner.
Der Alfons-Halbig-Platz war früher der Viehmarkt. Acht Rindermärkte wurden im Jahr abgehalten und sechs Schaf- und Schweinemärkte. Der benachbarte Bürgerturm war ein Wehrturm, in späteren Jahren wurde ein oberer Teil, der heute als Fachwerk zu sehen ist, aufgesetzt. Wie hoch die Stadtmauer an dieser Stelle einmal war, lässt sich noch an den Bruchsteinen des Turms ablesen.