Es ist wohl zu befürchten, dass sich Kultur noch über einen längeren Zeitraum in stark reglementierten Events abspielt. Das ist vor allem für die Organisatoren eine besondere Herausforderung. Großereignisse in der Stadthalle sind tabu, Kleinkunst ist zur Alternative geworden, die sich gewöhnlich an ein spezielles Publikum wendet. Weil aber doch auch die Breite angesprochen werden soll, erfand die Tourismus und Stadtmarketing GmbH die Feierabend-Reihe, die jetzt mit einem Poetry Slam zu Ende gegangen ist.
Vielfalt bedeutet, dass für jeden etwas dabei ist, daher auch die Unterschiedlichkeit der vier, wegen Wetterkapriolen letztendlich nur drei Angebote. Maximal 100 Besucher hatten Platz. Zur Einstimmung war zuvor das Publikum mit Open-Air-Kino neugierig gemacht worden.
Famos war ausverkauft
Den Einstieg in die Feierabend-Reihe bildete das ausverkaufte Konzert mit "Famos" und dem Lokalmatador Sebastian Landsleitner. Weiter hätte es mit einem orientalisch angehauchten Musikereignis gehen sollen, das jedoch dem Regen zum Opfer gefallen war. Es folgte die Krimi-Lesung, die den Innenbereich des Bildhäuser Hofes nur zur Hälfte füllte - vielleicht weil solch eine Art der Darbietung in der Region nicht so stark verbreitet ist und eher ein sehr spezielles Publikum anspricht.
Den Abschluss nun machte ein Poetry Slam. Früher war das eine absolut sichere Bank, um den Saal des Bildhäuser Hofs zu füllen, außerdem immer ein Garant für ausgelassene Stimmung und intensive Interaktion zwischen Akteuren und den meist jungen Besuchern. Dieses Mal kamen etwa 80 Zuhörer - bei den fast vollständig besetzten Stuhlreihen war das ebenfalls eine erfreuliche Resonanz. Nur: Von der Unbeschwertheit eines Publikums vergangener Veranstaltungen dieser Art konnte nicht die Rede sein.
Von locker bis tiefsinnig
Die Zurückhaltung des Publikums und der darin zu spürende Verlust an Lebensfreude spiegelte sich auch in den Darbietungen der fünf Teilnehmer wider. Noch recht locker trat Steven aus Erlangen ans Mikrofon. Er machte sich in einem tremolo-artigen Monolog und einer Sprechgeschwindigkeit, mit der er Dorothee Bär Konkurrenz machen könnte, über die Lebensmittelindustrie lustig.
Völlig aus dem Rahmen der gewöhnlich witzig bis absurden Vorträge eines Poetry Slams fiel der Frontalangriff auf das Vergessen und die Teilnahmslosigkeit in der heutigen Gesellschaft von Benjamin Baumann aus. Schonungslos prangerte der junge Mann aus Jena das Wohlstandsbedürfnis an, entdeckte im politischen Systemen die Scheinheiligkeit der Mächtigen und scheute sich nicht vor dem Vorwurf, dass Auschwitz nur noch in den Geschichtsbüchern gegenwärtig ist. Das Ganze packte er in Wortspiele mit Gegenüberstellungen von Begriffen und seinen Antonymen. Im Publikum: Ein Moment schweigen und dann fast frenetischer Beifall und die beste Benotung des ersten Teils des Programms.
Nach ihm zündete Oliver Walter aus Nürnberg ein wahres Feuerwerk absurder Ideen, verdarb die Lust auf liebgewonnene Essgewohnheiten und ergötzte sich bis zur unappetitlichen Selbstzerfleischung über eigene Schwächen. Einzige weibliche Protagonistin und Vertreterin aus der Region war Carolina Will. Die Stockheimerin hatte Liebeskummer, den sie durch eine Fressattacke kompensierte. Ihre Reaktion auf das Beziehungsdrama hatte genauso mit Essen zu tun, wie fast alle Beiträge, stellte Moderator Enrico Josche zu seinem eigenen Verwundern fest. Auch in den Überlegungen von Markus Riks aus Erlangen spielte das Thema eine Rolle. Mit leicht nasaler Stimme unterbreitete er seine Gedanken eines Patienten, der auf dem Zahnarztstuhl dem Wohl und Wehe des Behandelnden ausgeliefert ist.
Publikumsjury vergab zwei erste Plätze
Die Publikumsjury konnte sich letztendlich nicht entscheiden, wer in der Gunst am höchsten stand und vergab den ersten Platz zweimal, an Benjamin Baumann und Oliver Walter.
Für Susanne Kaiser von der Tourismus und Stadtmarketing GmbH war die gesamte Veranstaltungsreihe ein Erfolg. "Das besondere Flair des historischen Ambientes ist wie geschaffen für kulturelle Veranstaltungen", stellte die Mitorganisatorin fest. Angesichts der Abstandsregeln und Hygienevorschriften sei das Publikum verständlicherweise zurückhaltend und nicht so unbefangen wie in früheren Tagen. Doch insgesamt sei sie mit den Besucherzahlen zufrieden, zumal die Veranstaltungsreihe auch für sie ein Experiment gewesen sei. Und: "Es lohnt sich, weitergeführt zu werden."