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MELLRICHSTADT/BOURNEMOUTH
Faszinierende Dampfmaschinen und schwierige schmierige Passagen
Mächtig Bewegung: Alle möglichen Dampfmaschinen sind beim 44. Great Dorset Steam Fair vorgefahren.
Foto: Peter und André Federlein | Mächtig Bewegung: Alle möglichen Dampfmaschinen sind beim 44. Great Dorset Steam Fair vorgefahren.
Von Peter Federlein
 |  aktualisiert: 04.03.2016 15:57 Uhr

Schon seit 44 Jahren gibt es das „Great Dorset Steam Fair“ - ein gigantischer Jahrmarkt, wobei dessen Hauptattraktionen, Dampfmaschinen in allen Formen und Größen zu erleben sind. Eine Woche dauert dieses Spektakel, das üblicherweise von den letzten August- bis zu den ersten Septembertagen in der Grafschaft Dorset, nahe Blandford Forum stattfindet. Und dies liegt etwa 50 km nordwestlich von der direkt am Ärmelkanal gelegenen Stadt Bournemouth.

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In Deutschland bieten einige Omnibusunternehmen Reisen nach England mit Schwerpunkt „Steam Fair“ an. Unsere Wahl fiel auf ein Pfälzer Unternehmen. Eine schon fast mulitkulturelle Gesellschaft hat sich bei dieser Reise eingefunden. Unter 35 Leuten war ein ständig Binsenweisheiten erzählender Niederösterreicher, einige ruhige Wiener, Oldtimerexperten aus München, Saarländer, Hessen und natürlich „Pälzer“, die einem Eisenbahnverein angehören und neben der Dampftechnik von ihren heimischen Spezialitäten wie Saumagen, „Woi“ und vor allem vom Bad Dürkheimer „Worschtmarkt“ schwärmten. Die Insassen erfuhren bei dieser Gelegenheit, ob sie es wollten oder nicht, dass die „Pälzer Schorle“ lediglich zu einem Drittel aus Wasser besteht, „der Rescht isch Woi. Hahjoo“. Wie immer und überall waren auch Mitreisende aus den neuen Bundesländern dabei, die natürlich ausgiebig über die Dampfmaschinen „gesächselt“ haben. Und mittendrin drei Unterfranken aus Mellrichstadt sowie ein Osthesse aus Gersfeld. Sogar neun Damen, die sich mehr oder weniger für die Dampfmaschinen interessierten, waren mit von der Partie.

Unter dem Ärmelkanal ging's von Calais mit „Le Shuttle“ nach Dover und von dort nach Bournemouth ins Hotel. Am Steam Fair Gelände angekommen, waren zunächst alle platt. Das 250 ha große Gelände - auf abgeernteten Getreidefeldern - hatten nächtliche Regenschauer in einen riesigen Morast verwandelt. Very much Matsch, sozusagen. Das hat der Begeisterung aller Besucher kaum geschadet. Im Gegenteil. Das gemeinsame Los über die schwierigen, in diesem Fall auch schmierigen Passagen, hat alle Besucher „zusammengeschweißt“ und beim rücksichtsvollen Umgang miteinander war der Spaßfaktor eher noch größer. Tröstlich war, dass am folgenden Tag die Matschfelder wieder einigermaßen getrocknet und besser begehbar waren.

Nach Veranstalterangaben besuchen an den fünf Tagen jährlich ca 200.000 Leute diesen „Dampf-Jahrmarkt“. Trotz des hohen Eintrittspreises von 14.50 britischen Pfund, was ca. 19 Euro entspricht. Dennoch ist das „Great Dorset Steam Fair“ dies wert. Alles, was mehr oder weniger irgend etwas mit Dampf zu tun hat, darf auf dem riesigen Freigelände gesehen, bestaunt und erlebt werden. Hier gibt's fast nichts, was es nicht gibt. Mehr als 50 beleuchtete Schausteller-Straßenlokomotiven, die blitzblank polierten „Showman's Road Locomotives“, jede mit eigenen Namen, sind vor allem am späten Abend die Hauptattraktion. Die für den Jahrmarktrummel hergerichteten prächtigen Zugmaschinen sind mit einem oben vor der Rauchkammer platzierten Generator ausgerüstet, der über Treibriemen und Schwungrad angetrieben, Gleichstrom für Licht, den Betrieb der Karusselle, Schiffschaukeln oder Orchestrions produziert.

Dampftraktoren, Straßenlokomotiven, Dampfwalzen und -pflüge, insgesamt mehr als 100, waren im Einsatz. Straßenlokomotiven leisten aus zwei Zylindern ca. 100 PS und sind in der Lage, 120 to zu ziehen. Um schwerere Lasten zu bewegen, werden wie in Dorset vorgeführt, mehrere Maschinen aneinander verbunden. Beim Transport eines riesigen schweren Transformators auf einem Tieflader waren insgesamt vier Steam Locomotions erforderlich; drei aneinander an der Spitze gekoppelte sowie eine die den Tross schiebend am Ende des Tiefladers unterstützte. 10 bis 15 bar ist der Betriebsdruck. Oben am Langkessel angebrachte Zylinder sind gleichzeitig der Dom aus dem der Dampf vom Kessel in die Schieberkästen und Zylinder strömt. Kohlebunker und Tender sind hinter bzw. unter dem Führerstand angebracht.

Dampflastwagen waren eine weitere Attraktion in Dorset. Zwei Bauarten dieser Steam Waggons gibt es: den Overtype sowie der Undertype. Der Overtype hat wie eine Straßenlokomotive einen Langkessel mit oben angebrachter Zweizylinder-Verbunddampfmaschine. Beim diesem Typ, der vorzugsweise von Brauereien verwendet wurde, ist die Ladefläche genauso lang wie der Maschinenteil mit dem Führerhaus. Beim Undertype ist der Kessel im Führerhaus - vor oder hinter dem Fahrer - und der Zweizylinder-Dampfmotor zwischen den Achsen angebracht. Der Hinterachsantrieb bei beiden Typen erfolgt vom Getriebe im Ölbad über zwei außenliegende Ketten. Die allerdings verschlissen wegen des Straßendrecks sehr schnell, so dass später Gelenkwellen eingebaut wurden. Das aber rettete die immerhin bis zu 70 km/h schnellen Steam Waggons nicht mehr. In den 1960er Jahren verschwanden sie fast vollständig aus dem Straßenbild. Auch die Steam Tractors und Road Locomotives, von ca. 1850 bis 1935 produziert, wurden vor 60 Jahren allmählich von Diesel-Lkws und -Traktoren verdrängt.

Neben den dampfenden Attraktionen zogen in Dorset Monstertruck-Shows, Oldtimerausstellungen von Autos, Motor- und Fahrrädern, Lkws, Feuerwehr- und Militärfahrzeugen, Stationärmotoren, sowie Traktoren, die auch vorgeführt wurden, die Zuschauer in ihren Bann. Floh- und Ersatzteilmärkte gab's, wobei auch der vorlaute Österreicher bei der Erstatzeilsuche für seinen britischen „David Brown“ Traktor fündig wurde.

Zurück in Bournemouth faszinerte am Strand eine atemberaubende Flugshow der Royal Air Force. U. a. mit Tornados, Jet- und Hubschrauber-Kunstflug sowie die zwei „Breitling“-Doppeldecker, wo auf den Tragflächen stehende Girls - natürlich gesichert - sensationelle Stunts vorführten. Das alles „schreit förmlich“ nach einer Wiederholung dieser Reise. Die führte heimwärts „überirdisch“ auf der Fähre von Dover nach Calais nach Hause zurück.

Putziges Gefährt: Unterwegs mit einer Showmans Road Locomotive.
| Putziges Gefährt: Unterwegs mit einer Showmans Road Locomotive.
Besonderes Flair: Abendstimmung beim Great Dorset Steam Fair.
| Besonderes Flair: Abendstimmung beim Great Dorset Steam Fair.
 
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