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UNSLEBEN
Faszination des Nichts: Salon-Kabarett in der Jahnhalle
Warten auf den Anruf: Thomas Pigor (im Bild) und Benedikt Eichhorn traten mit ihrem „Salon-Kabarett“ in der Jahnhalle auf.
Foto: Eckhard Heise | Warten auf den Anruf: Thomas Pigor (im Bild) und Benedikt Eichhorn traten mit ihrem „Salon-Kabarett“ in der Jahnhalle auf.
Eckhard Heise
 |  aktualisiert: 31.05.2015 17:11 Uhr

Armes Deutschland: Wenn es richtig ist, dass von der Bundeshauptstadt Impulse ausgehen, die die gesamte Republik befruchten, wird unser kulturelles Leben bald in Sinnfreiheit versinken. Salonkabarett nennen Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn ihren nihilistischen Ansatz, eine Persiflage auf die Persiflage, den intellektuellen Angriff auf die Lachmuskulatur.

Das Heimspiel des Unslebener Künstlers und seines musikalischen Begleiters hat stets auch etwas von der Heimkehr des verlorenen Sohnes. So war es denn kein Wunder, dass die Jahnhalle ausverkauft war und die Vorsitzenden der Veranstalter, der Verein „kultur für…“ und der Lionsclub Bad Neustadt, auf einen hohen Erlös und auf die Spendenbereitschaft des Publikums hoffen konnten. Denn wie Michael Diestel und Christian Machon erklärten, soll die vom Lionsclub eingerichtete Nepalhilfe unterstützt werden.

Auch die beiden Hauptakteure taten alles für einen erfolgreichen Abend - oder - eigentlich taten sie: Nichts. Oder zumindest Dinge, die auf einem unterhaltsamen Kabarettabend eigentlich nichts zu suchen haben, zum Beispiel drei Minuten lange Szenen oder Monologe - so lange kann Aufmerksamkeit aufrecht erhalten werden -, die eigentlich niemanden interessieren.

„Die totale Reduktion des Bühnengeschehens“ sinnierte Pigor dazu. Wie in der Musik, wenn ein Orchester auf die Bühne tritt und vier Minuten lang keinen Ton erzeugt. „Das müsste man auch mal probieren“, und lud das Publikum ein, ihm nachzumachen und drei Minuten vollkommen still zu sein. Erst noch leicht unterdrückte Lacher oder witzig gemeinte Schnarchgeräusche, dann tatsächlich fast Stille, bis kurz vor Ablauf der Zeit die Spannung zu groß wurde und hie und da nervöses Kichern die eigene Unsicherheit überspielen sollte. Welche Gedankenspiele jetzt wohl in den Köpfen durch das Ausbleiben jeglicher Informationen in Gange gesetzt wurden - was ganz die These unterstützt „man kann nicht Nichtkommunizieren“.

Bemerkenswert auch, dass tatsächlich Themen auf Gehör stoßen, die sonst niemanden interessieren, wenn sie nur diese Zeitspanne umfassen. „Die Geschichte der doppelten Buchführung“, hätte bestimmt niemanden vom Hocker gerissen, wäre sie nicht auf die kurze Sequenz beschränkt.

Das Experiment der Drei-Minuten-Monologe wurde aber noch durch eine Nuance erfolgreicher. Als Pigor vorschlug, jemand aus dem Publikum könne sich auf die Bühne stellen und einen völlig uninteressanten Vortrag halten – ein Angebot, das bei den Auftritten selten angenommen wird, wie Pigor später versicherte –, meldete sich Jörg Schindler-Schwabedissen und monologisierte zum Vergnügen des Publikums und der beiden Kabarettisten über das rollende „r“ im Fränkischen.

Der Aufklärung idiomatischer Besonderheiten war allerdings auch eine Erklärung deren Nützlichkeit vorausgegangen. Das schöne am Telefon gesungene Lied „Bu willsde dann dei Hö hi ho“ werde mit Sicherheit die NSA-Abhörer ins Rotieren bringen, freute sich Pigor in Chansonform.

 
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