Es ist eine Karte des Schreckens, die Klaus Rehrmann auf den Redaktionstisch legt. Sie umreißt einen Kriegsschauplatz auf dem afrikanischen Kontinent, auf dem nicht mit Gewehren und Bomben gekämpft wird, sondern mit Rasierklingen. Die Opfer sind Frauen, die gemäß einer Tradition eine Verstümmelung ihrer Genitalien erleiden müssen.
Rehrmann und seine Frau Heidi, die aus Merkershausen stammt, engagieren sich seit Jahren mit ihrer kleinen Hilfsorganisation namens Holiday and Help gegen diesen bestialischen Aufnahmeritus in die Welt der Erwachsenen.
Wenn Rehrmann über seinen Einsatz berichtet, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Der Geschäftsmann, der mit einer Solarzellenfirma sein Geld verdient, verarbeitet mit diesem Mitteilungsdrang auch die schwer verdaulichen Erlebnisse, wie er im Gespräch mit der Redaktion zugibt. Denn die nähere Auseinandersetzung mit dem Thema lässt einen die Haare zu Berge stehen.
Allein in Kenia, wo der 36 Mitglieder zählende Verein tätig ist, gibt laut Schätzung rund acht Millionen Fälle, obwohl die Genitalverstümmelung seit langem verboten ist. Vor allem bei den Massai, die hierzulande den Ruf stolzer Krieger genießen, im Land selbst aber auf der Gesellschaftsskala weit hinten rangieren, sei die Praxis auch heute noch üblich, sagt Rehrmann. Insgesamt seien im Nord- und Zentralafrikanischen Gürtel zwischen Mauretanien und dem Sudan fast 156 Millionen Frauen betroffen. Extrem weit verbreitet ist das Unwesen auch in Ägypten. Meist trifft es junge Mädchen im Alter von 10 bis 12 Jahren, aber auch schon Kleinkinder und Säuglinge.
Schreckliche Vorgänge
Die Vorgänge während der Verstümmelung, die oft heimlich mit Rasierklingen oder einem Stück Glas ohne Betäubung durchgeführt wird, schildert Rehrmann so schrecklich, dass man sie hier nur gekürzt wiedergeben kann. Es gibt drei Formen der Genitalverstümmelung, die von der Entfernung der Klitorisvorhaut als „harmloseste“ Ausprägung bis hin zum Zusammennähen der großen Schamlippen reichen.
Lediglich eine kleine Öffnung, über die Flüssigkeit austreten kann, wird ausgespart. Wobei das Verschließen mangels anderer Hilfsmittel, etwa bei den Massai, auch mit den langen Stacheln der Akazie geschehen kann. Laut einer Studie des Bundesfrauenministeriums leben auch in Deutschland bis zu 50 000 Frauen mit Genitalverstümmelung, die etwas beschönigend auch „weibliche Beschneidung“ genannt wird. Und 5700 leben in der Gefahr, künftig davon betroffen zu sein. Wie viele es in Unterfranken sind, ließ sich nicht ermitteln. Zahlen zu diesem Thema aus Unterfranken lägen ihr nicht vor, erklärte Dr. Birgit Spohn, die Bezirksvorsitzende im Berufsverband der Frauenärzte aus Würzburg.
„Am Anfang war es für mich total schlimm“, sagt Heidi Rehrmann, die in einem Bad Königshöfer Altenheim arbeitet, als sie von der folterartigen Behandlung der Frauen erfahren hat. „Aber ich weiß, dass ich Menschen helfen kann“, erklärt sie ihre Strategie, mit dem schrecklichen Thema umzugehen.
Es ist in erster Linie eine Hilfe zum Neinsagen. „Afrikaner lieben ihre Kinder sehr“, ist sich Rehrmann sicher. Wenn die Mädchen sich gegen die Verstümmelung aussprächen, gebe es gute Chancen, dass sie davon verschont bleiben. Doch dazu muss erst einmal Aufklärung geleistet werden. Denn das grausame Ritual, dass gewährleisten soll, das Mädchen „rein“ in die Ehe gehen, wird den unwissenden Kindern und Jugendlichen mit einem großen Fest und der Aussicht in die Reihe der Frauen aufgenommen zu werden, schmackhaft gemacht.
Schocktherapie
Rehrmann und seine kenianischen Mitstreiter vor Ort veranstalten für bis zu 500 gefährdete Mädchen in der Ferienzeit dreitägige Seminare in Internaten, in den es um Frauenhygiene, gesellschaftliche Fragen und schließlich auch um die Verstümmelungen geht. In der Hoffnung, dass diese Schocktherapie ihre Wirkung nicht verfehlt und die Mädchen eben zum Neinsagen bringt.
Aktionen, die natürlich auch Geld kosten, das der Verein nicht aus eigenen Mitteln aufbringen kann und deswegen auf Spenden angewiesen ist. Die Vorgänge um die mittlerweile gerichtlich sanktionierte Vorsitzende des Vereins „All for Afrika“ hätten der Sache enorm geschadet. „Bei uns ist alles transparent und kann jederzeit geprüft werden“, sagt Rehrmann.
Die nächste Infoveranstaltung ist am Freitag, 17. Februar um 14 Uhr in den Räumen des Vereins in Oberlauringen. Rehrmann bittet um Anmeldung unter der Nummer (0 97 24) 90 80 97, weil das Platzangebot begrenzt ist.