Lieferdrohnen, die über Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) surren, dieses Bild wird bald nicht mehr ungewöhnlich sein. Denn der Automobilzulieferer Jopp will dort zusammen mit dem Würzburger Start-up Emqopter den ersten städtischen Flug mit Lieferdrohnen aufbauen, der die drei Jopp-Werke in Bad Neustadt miteinander verbinden soll.
Zu viel Zeit geht verloren
Nach Angaben des Unternehmens bleibt derzeit zu viel Zeit auf der Straße liegen für den Transport von Hauspost, Ersatzteilen und Kleinteilen. Die könnten einfacher und schneller über die Luft transportiert werden, hat man sich bei Jopp überlegt. Jetzt will das Unternehmen die seit April in Deutschland gültige neue Gesetzgebung für den Luftverkehr nutzen, um kleine Gegenstände per Drohne über die Luft zu transportieren. Der Flug soll vollautonom erfolgen.
Zusammen mit den Drohnenexperten von Emqopter aus Würzburg, die bereits einige ähnliche Anwendungen in kleinerem Maßstab realisiert haben, habe Jopp ein Projekt zur Entwicklung einer voll ausfallsicheren Lieferdrohne aufgesetzt. „Wir wissen noch nicht, wie schnell wir an den Start gehen können“, so Jopp-Geschäftsführer Martin Büchs. Schließlich sei das Gesetz erst kürzlich verabschiedet worden und die zuständigen Behörden seien noch unsicher bei Genehmigungen. Man hoffe aber, ein Musterverfahren bei den Behörden anstrengen zu können.
Noch Überzeugungsarbeit
„Wir rechnen damit, dass wir auch in der Öffentlichkeit und bei Anliegern noch Überzeugungsarbeit wegen der Sicherheit leisten müssen“, so Büchs. Nils Gageik, Geschäftsführer von Emqopter, betonte, die Ausfallsicherheit habe höchste Priorität. Die geplante Technik sei nicht vergleichbar mit Drohnen für den Privatbereich. Mit einer mehrfach vorhandenen Ultraschall- und einer Infrarotsensorik solle die Drohne GPS-gesteuert fliegen. Eine ähnliche Anwendung habe man bereits auf der CeBIT und der Hannover Messe gezeigt. Geschulte Anwender sollen aber beim Flug jederzeit eingreifen können.
Ziel: Erster Regelflug
Ziel beider Unternehmen ist es, den ersten Regelflug einer Lieferdrohne in einer städtischen Umgebung zu realisieren – in Deutschland, vielleicht sogar weltweit. Jedenfalls kenne man bisher keine weitere Anwendung dieser Art. Bekannt sei aber, dass Amazon, UPS und DHL mit ähnlichen Ideen experimentieren. Eine flächendeckende Anwendung sei bisher an den Genehmigungsbehörden gescheitert. Das wolle man nun mit einer neuen Sicherheitstechnik ändern. Zunächst soll nach Firmenangaben eine kleine Drohne mit fünf Kilogramm Gesamtgewicht vom Jopp-Werk im Ortsteil Herschfeld zum ein paar Hundert Meter entfernten Werk „Am Donsenhaug“ fliegen, um erste Erfahrungen in der Praxis zu sammeln. Vorerst nur bei gutem Wetter. Erste Anwendung: regelmäßiger Essenstransport von der Hauptkantine zum Zweigwerk.
Emqopter denkt einen Schritt weiter: „Wir kennen Projekte, bei denen Drohnen Leben retten können, z. B. beim Transport von medizinischen Hilfsgütern. Mit diesem Projekt wollen wir zeigen, dass die Technik noch sicherer ist als das autonome Fahren, das seit kurzem auf Teststrecken in Bayern möglich ist. Damit eröffnen wir neuen Ideen den Weg“, so Gageik.
Beteiligung an Emqopter
Jopp hat sich mit dem Startschuss des Projekts als Gesellschafter im Zuge einer Kapitalerhöhung bei Emqopter eingebracht. Einige neue Arbeitsplätze sollen in Kürze entstehen. Jopp will mit dem Projekt die eigene Kompetenz in der Elektronik und speziell der Sensorik unter Beweis stellen – auch im Hinblick auf das autonome Fahren als eines der Wachstumsfelder der Zukunft. Für Jopp ist dieses Engagement Teil der Zukunftsstrategie „Jopp 2030“, die am Wochenende den Führungskräften der Firmengruppe vorgestellt wurde. Ziel des Unternehmens ist es, sich auf die mögliche Zukunft von Autos ohne Verbrennungsmotor vorzubereiten. Schließlich hat Jopp seinen Firmensitz in Bad Neustadt, der Modellstadt für Elektromobilität.