
Als die Innenrenovierung des Rathauses in Bad Königshofen abgeschlossen war, suchte Lorenz Feser vergeblich die ehemals dort aufgehängte Tafel mit den Namen der vermissten Personen des Zweiten Weltkriegs. Dass die Tafel fehlt, war ihm sofort aufgefallen – schließlich steht sein eigener Vater, Heinrich Feser, darauf. Auf Nachfragen erklärte die Innenarchitektin, dass die Tafel nicht mehr in das moderne Ambiente passe. Wohin also damit?
Auch der Vorsitzende der Soldaten- und Kriegerkameradschaft sowie des VdK-Ortsvereins Bad Königshofen, Helmut Luff, war der Meinung, die Tafel sollte weiterhin öffentlich zugänglich sein. "Die Erinnerung soll aufrecht erhalten bleiben, die Vermissten sind Teil vieler Familiengeschichten", sagte er bei einem Ortstermin.
Es gehe keineswegs um Heldenverehrung, vielmehr darum, die Schrecken des Krieges nicht zu vergessen. Allerdings falle das angesichts der aktuellen Ereignisse nicht schwer. "Wer hätte gedacht, dass in Europa noch einmal ein Krieg geführt wird?", fragt Luff. Heute wie damals seien viele Soldaten nicht freiwillig an der Front.
Kriegsgeschehen weckt bei Lorenz Feser Erinnerungen an den Vater
Bei Lorenz Feser weckt das momentane Kriegsgeschehen Erinnerungen, denn im Nachlass seines kürzlich verstorbenen Bruders fanden sich Originalbriefe seines Vaters von der Front aus dem Jahr 1942. Am Asowschen Meer, von wo aus der Vater damals schrieb, liegen die heute umkämpften Gebiete der Südukraine. Nur dass der Aggressor diesmal Russland heißt und nicht Deutschland.
Die Briefe an Ehefrau Maria sind nur schwer zu entziffern, Papier wurde äußerst sparsam verwendet. Während Heinrich im Februar 1942 noch über langweilige Tage schrieb und sich gut versorgt sah, änderte sich das Bild ein paar Monate später. "Ein Wunder ist geschehen", berichtete er. Seine Frau solle nicht erschrecken, wenn er jetzt einmal die Wahrheit schreibt.

Von russischen Partisanen, die den Nachschub an Lebensmitteln und Munition überfielen und die deutsche Besatzungstruppe, zu der er gehörte, in einem Tal einkesselten, erzählte er in seinem Brief. "Nun waren wir der Hölle ausgesetzt", schrieb er, es kam Granatfeuer von allen Seiten. Ein Funkspruch konnte noch abgesetzt werden und Hilfe wurde versprochen, sie kam jedoch nicht. Heinrich Feser erlitt einen Unterarm-Durchschuss, einige Kameraden waren sofort tot. Drei Tage harrten sie ohne Verpflegung aus.
Der Ausbruch als Wunder
"Wir waren noch 130 Mann, der Russe angeblich 800 Mann", schrieb Feser. Die Hoffnung auf Verstärkung hatten sie schließlich aufgegeben und wagten mit letzter Kraft den Ausbruch in der Nacht über den größten Berg, den die Russen als Fluchtweg ausschlossen. Die Verwundeten wurden in Decken mitgetragen, ein ortskundiger Russe führte sie an.
Der Ausbruch gelang, das ist das Wunder, von dem Heinrich Feser schrieb. In seinem Brief bat er seine Frau: "Kannst du also nun alles schicken, was du dir nur denkst, auch Briefpapier." Jeder habe nur das retten können, was er gerade anhatte und "ich habe nur noch Läus".
"Wäre mein Vater damals ins Lazarett gegangen, hätte er vielleicht überlebt", meint Lorenz Feser heute, aber Heinrich wollte damals seine Kameraden nicht im Stich lassen und ließ sich lediglich verbinden. Noch einmal hatte der Vater 1943 Fronturlaub und erfuhr 1944, dass er Vater eines zweiten Sohnes geworden war. Aus Rumänien kam kurz darauf die Vermisstenmeldung, damals war Lorenz fünf Jahre alt. Die Mutter hat ihren Mann niemals offiziell für tot erklären lassen.
Die Familie Feser hatte kein Grab, an dem sie um den Vater und Ehemann trauern konnte, deshalb ist die Tafel für sie so wichtig. Gedacht wurde daran, sie nun am Kriegerdenkmal anzubringen, sie ist aber nicht witterungsbeständig. Ins Museum passe sie thematisch nicht hinein. Stadtrat Bernhard Weigand hatte die Idee mit der Klosterkirche, was nun geklappt hat.