Früher war die deutsch-deutsche Grenze ein Todesstreifen. Streng bewacht von DDR-Grenzsoldaten, damit die eigenen Bürger nicht „rübermachen“. Seit Herbst 1989 ist das vorbei. Ironie der Geschichte: Weil der Todesstreifen so gut wie nie betreten wurde, entwickelte sich dort ein Naturparadies – das „Grüne Band“, ein sich durch Deutschland ziehender Biotopverbund.
763 Kilometer misst die Grenze Thüringens zu Bayern, Hessen und Niedersachsen. Dieser Anteil an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, die insgesamt rund 1400 Kilometer lang ist, soll nach dem Willen von Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) unter Naturschutz gestellt werden. Die junge und ehrgeizige Ministerin, eine Ziehtochter der Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, will das Grüne Band zum „Nationalen Naturmonument“ erklären.
1200 bedrohte Arten im Grünen Band
Die Schutzkategorie gibt es in Deutschland erst seit 2010. „Naturmonumente stehen auf einer Stufe mit Nationalparks“, sagt Siegesmund. Ihr zufolge leben rund 1200 bedrohte Arten im Grünen Band. Es schlängelt sich im Thüringer Süden vis-a-vis zu Oberfranken bis hinauf nach Nordthüringen. Die 763 Kilometer werden nur gelegentlich unterbrochen von Straßen und anderen „Störstellen“, wie Naturschützer das nennen. Rund 6500 Hektar Fläche würde das Naturmonument umfassen. „Hier verbinden sich Natur und Geschichte von nationaler Bedeutung“, betont die Ministerin.
Die Umweltorganisation BUND, die das Vorhaben mit der Ministerin vorantreibt, schickte extra den Abenteurer Mario Goldstein auf Wanderschaft durch das Grüne Band. Goldstein, eine Art sächsischer Reinhold Messner, wanderte mit seiner Hündin die ehemalige Grenze ab, übernachtete im Freien und berichtet seit vorigem Herbst über seine Erlebnisse in einer Multivisionsshow.
Widerstand regt sich
Zur gleichen Zeit reichte die von Linke, SPD und Grünen gebildete Landesregierung ihren Gesetzentwurf für das Nationale Naturmonument beim Thüringer Landtag ein. Derzeit laufen Anhörungen von Betroffenen und Experten. Und es gibt Widerstand. So warfen rund 80 an der ehemaligen Grenze liegende Thüringer Gemeinden der Umweltministerin vor, den Denkmalschutz nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Die Grenze ist eben nicht nur ein Naturparadies, sondern steht auch als Mahnmal für die DDR-Diktatur.
Die oppositionelle CDU beklagt zudem ausufernde Kosten durch das Naturmonument. Dafür würden elf neue Stellen geschaffen, kritisiert CDU-Politiker Stefan Gruhner. Nach seiner Ansicht hätte der Schutz auch im Rahmen des Thüringer Naturschutzgesetzes erzielt werden können. Die Ausweisung als Nationales Naturmonument führe nur zu viel mehr Bürokratie.
Naturmonument contra SuedLink
Obwohl das Naturmonument noch gar nicht ausgerufen ist, wollte es die Landesregierung schon einsetzen, um die von Netzbetreiber Tennet geplante SuedLink-Stromleitung zu verhindern. Die Hochspannungsleitung könnte mehrfach das Grüne Band kreuzen. Mehrere Thüringer Landräte wiederum verlangen, dass die Stromtrasse genau entlang des Grünen Bandes führen müsse. So meinte der Landrat von Schmalkalden-Meiningen, Peter Heimrich (SPD), in der Thüringer Allgemeinen: „Jedes Kind weiß, dass im Grünen Band massiv Chemikalien zum Einsatz gebracht wurden. Das Gebiet ist aus naturschutzfachlicher Sicht als geringwertig einzustufen.“ Die Schutzwürdigkeit des für die Stromleitung vorgesehenen Werratals, wo Menschen wohnten, sei um ein Vielfaches höher zu bewerten.
Während in Thüringen der Protest gegen die Stromleitung weitergeht, wird im Landtag zugleich die Verabschiedung des „Gesetzes über das Nationale Naturmonument Grünes Band Thüringen“ vorbereitet. Wann der Beschluss auf der Tagesordnung des Parlaments steht, ist derzeit noch offen.
Grünes Band in Thüringen
- Länge: 763 Kilometer
- Fläche: 6500 Hektar
- Breite: 50 bis 200 Meter
- Natur: 1200 Rote-Liste-Arten; einmaliger Biotop-Verbund
- Schutz: geplant ab 2018