Wenn Anne Marie Drescher alte Artikel sichtet, dann kommen die Erinnerungen: an die spannende Zeit der Grenzöffnung, anregende Treffen mit Wasungern und gemeinsame Veranstaltungen in den Jahren danach. Seit einem Vierteljahrhundert pflegt Ostheim seine Städtepartnerschaft mit Wasungen. Dass sie immer noch lebt, daran hat auch Drescher einen großen Anteil.
Die Bemühungen, eine Partnerschaft mit Wasungen aufzubauen, reichen bis in die Vorwendezeit zurück. 1987 stellten sowohl CSU als auch SPD entsprechende Anträge im Ostheimer Stadtrat. Die Verwaltung schrieb an die Ständige Vertretung der DDR und die Stadt Wasungen.
Die Zeit schien günstig. Größere Kommunen im Osten unterhielten bereits Beziehungen in den Westen; weitere – zum Beispiel die zwischen Suhl und Würzburg bahnten sich an.
Warum sollte das nicht auch im Kleinen klappen? Zumal Ostheim und Wasungen viel gemeinsam haben. Beide Orte liegen nur 35 Kilometer auseinander. Sie unterscheiden sich wenig in der Größe, sind mittelalterlich geprägt. Ostheim gehörte mal zu Thüringen. Und schließlich stammte sein Bürgermeister Werner Artus aus Wasungen.
Die Ständige Vertretung kanzelte den Wunsch aus Ostheim rüde ab. Eine Partnerschaft sei nicht möglich. Aus Wasungen kam keine Antwort.
Als die Grenze aufging, änderte sich das. Schnell wurden Kontakte geknüpft – privat, zwischen den Vereinen und auf offizieller Seite. Letzteres mündete in der Städtepartnerschaft, die Artus' Nachfolger Hans Hartmann und sein Thüringer Bürgermeisterkollege Manfred Koch am 19. Mai 1990 im Gasthof Paradies in Wasungen besiegelten.
Anne Marie Drescher zog zu dieser Zeit gerade erst für die Freien Wähler in den Stadtrat ein. Zu spät also, um die offizielle Partnerschaft mit anzubahnen. Aber genau rechtzeitig, um sie zu festigen.
Ein Ausschuss für Partnerschaften, Jugend und Kultur wurde gegründet – und Drescher der Vorsitz übertragen.
Die Wahl fiel bewusst auf den Neuling. Denn die gebürtige Fladungerin engagierte sich schon früh für die Verständigung von Ost und West.
Anfang 1990 fuhr sie im Auftrag ihrer Freien Wähler nach Wasungen, um „unbelastete, unabhängige Menschen“ ausfindig zu machen. Sie stieß auf eine Bürgerinitiative, die den Nachfolgern der sozialistischen Einheitspartei etwas entgegensetzen wollten. Die Keimzelle der heutigen Freien Wähler Wasungen.
Als Lehrerin an der Ostheimer Hauptschule suchte Drescher auch bald nach Grenzöffnung den Kontakt zu den Pädagogen an der Polytechnischen Oberschule (POS) in Wasungen. Man besuchte sich, tauschte Erfahrungen und anderes aus. „Wir haben viele Bücher rübergeschafft“, erinnert sie sich. Einmal war sogar ein Kopierer dabei. Den kannten die Ost-Kollegen so nicht.
18 Jahre leitete Drescher den Ausschuss. Der anfänglichen Euphorie folgten Zeiten, in denen das Interesse aneinander abflaute. Partnerschaftlich ging nicht viel „Jeder hatte mit sich selbst zu tun.“
Ein Beispiel: Das Schulsystem in der DDR und den späteren neuen Bundesländern erfuhr einen starken Wandel. Die Wasunger POS mutierte zur Regelschule; die Hauptschule Ostheim existiert nicht mehr.
Obwohl manche Verbindung zwischen Ostheim und Wasungen abriss: Vor allem die privaten Kontakte trugen die Partnerschaft über die Zeit. „Sie lebt von ihnen und den gegenseitigen Besuchen bei Festen“, meint Drescher.
Aber auch die Imker sowie die Obst- und Gartenbauer – um nur einige Beispiele zu nennen – blieben stets in regem Austausch. Die Kirchengemeinden halten Kontakt, ebenso Stadtkapelle, Gesangverein, Faschingsfreunde. Bürgermeister und Stadträte nehmen bei Jahresabschlusssitzungen der jeweils anderen Kommune teil.
An diesem Samstag, 9. Mai, steht im Orgelbaumuseum wieder ein Termin an. Alte und aktuelle Stadträte aus Ostheim und Fladungen treffen sich im Orgelbaumuseum im Han-steinschen Schloss. Sie wollen dort und auf der Lichtenburg das 25-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft feiern. Wie Ostheims Bürgermeister Ulrich Waldsachs mitteilt, „stehen der Austausch und das Gesellige im Vordergrund, weniger die großen Reden“.
Am 17. Mai erfolgt der Gegenbesuch in Wasungen. Dann soll laut Elke Bassil, der jetzigen Verantwortlichen für die Partnerschaft, im dortigen forstbotanischen Garten ein Baum gepflanzt werden.
Auch ein Wanderweg wird wohl eingeweiht und ein Stück abgewandert. Er führt vom Geburtshaus von Werner Artus Richtung Ostheim.
Beim Treffen am Wochenende in Ostheim sollen auch Ideen für die Partnerschaft der Zukunft entwickelt werden. Eine wird nun Wirklichkeit.
Seit einiger Zeit bestehen Kontakte nach Ostheim, einer Kommune im Elsaß, am Fuße der Vogesen. Vom 8. bis 10. Mai wohnt eine französische Delegation im hiesigen Ostheim, wird den Kreuzberg und Point Alpha besuchen.
Sowohl Elke Bassil als auch ihre Vorvorgängerin Anne Marie Drescher freuen sich über diese neue Partnerschaft. Und sie sind sich einig: Wie die mit Wasungen muss sie mit Leben erfüllt werden.