Andere Länder und andere Kulturen kennenlernen ist für junge Menschen zu dieser gegenwärtig unruhigen Zeit die vielleicht beste Investition in eine friedvolle Zukunft. Wie so etwas gestaltet werden kann, hat das Martin-Pollich-Gymnasium (MPG) in der vergangenen Woche vorgeführt: Zu Gast waren 29 Schülerinnen und Schüler aus Krakau (Polen) sowie 14 aus Burgas (Bulgarien) zu einem europäischen Schüleraustausch im Rahmen des Erasmus-Programms.
Das Programm mit dem wohlfeilen Titel "The Musical Heritage of Poland, Bulgaria and Germany in Contemporary Professional Music Education" nahm in Mellrichstadt seinen Auftakt und wird im Juni in Krakau sowie im Herbst in Burgas weitergeführt. In einem großen Konzert in der Oskar-Herbig-Halle zeigte sich, wie wertvoll und gleichzeitig unterhaltend Kulturpflege und Völkerverständigung unter jungen Menschen sein können.
Die Idee, an dem Bildungsprogramm Erasmus+ teilzunehmen, hatte Jaroslaw Kantorski, Gitarrenlehrer am MPG und der Kreismusikschule, gemeinsam mit seinem Kollegen Grzegorz Lobodzinski aus Krakau entwickelt. Ihre bulgarische Kollegin Aneta Danailowa nahm ihre Schule gerne mit hinein in das völkerverständigende Projekt. Neben dem Martin-Pollich-Gymnasium waren also die Bronislaw Rutkowski Primary and Secondary Music School aus Krakau sowie die National School for Musical and Performing Arts Professor Pancho Vladigerov aus Burgas in Bulgarien, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, mit im Erasmus-Programm, gefördert von der Europäischen Union.
Zwei Konzerte der jungen Leute
Eine knappe Woche lang hatten die Schülerinnen und Schüler in Mellrichstadt nun Gelegenheit sich kennenzulernen, sich auszutauschen, gemeinsam zu lachen und natürlich zu musizieren. Was bei letzterem an musikalischen Leistungen herauskommen sollte, das konnte sich ein großes Publikum in der Oskar-Herbig-Halle kurz vor der Abreise der Gäste in die Heimatländer begeistert anhören.
Schulleiter Robert Jäger zeigte sich erfreut wie erleichtert, die Gäste aus Bulgarien und Polen begrüßen zu dürfen. Der erste der drei Schüleraustausche hätte nämlich vor ein paar Monaten bereits stattfinden sollen, musste aber wegen Corona kurzfristig abgesagt werden. Jetzt hat es in den ersten Apriltagen geklappt. Zwei Konzerte haben die jungen Leute gestaltet. Das erste fand im Bad Kissinger Kurtheater unter dem Motto "Konzert der leisen Töne" mit Harfen, Gitarren und dem Flötenensemble Cocopelli von Musiklehrerin Gunda Schwen statt. Das zweite Konzert in Mellrichstadt war dann eher ein Konzert der lauten Töne mit Chören und Bigbands.
"Wir müssen die Sprache der Musik wieder mehr in unseren Alltag mitnehmen", forderte Musiklehrer Urs John bei der Vorstellung des Programms. Die Anwesenheit von 30 Besucherinnen und Besuchern aus der Ukraine im Konzert betonte nachdrücklich die Bedeutung der Völkerverständigung.
Großer Auftritt der Bigband
Zum Konzertauftakt leitete Aneta Danailowa den kleinen bulgarischen Chor in Chopins Lied "Zyczenie". Liedhaft ging es dann im gemeinsamen Erasmus Chor, in dem auch weitere Gäste und Lehrkräfte mitsangen, weiter. Musiklehrerin Franziska Hemmert stimmte zu "O Täler weit, o Höhen" von Mendelssohn-Bartholdy an, Aneta Danailova zu "Hayde bre, yano" von P. Staynow. Der Höhepunkt der Chorarbeit war das Kyrie und das Gloria aus der "Missa fac bonum" des in Oberelsbach geborenen Komponisten Valentin Rathgeber, das der Chor in Begleitung eines Barockensembles mit Cembalo, Fagott und Streichern (Einstudierung: Magdalene Schmid-Schindler) sang.
Das Cembalo flugs von der Bühne geräumt machte Platz für den großen Auftritt der Bigbands, die ein buntes Programm boten. Schließlich beinhaltete die musikalische Projektarbeit auch das Bearbeiten und Arrangieren von Werken. Zunächst zeigte die Bigband Krakau unter der Leitung von Mateusz Pitala in "A foggy Day" von Gershwin was in ihr steckt. Vor allem im begeisternden "Moanin'" nach C. Mingus zeigte Pitala schon mal mustergültig auf, was die polnischen Gäste in Sachen Bigbandsound so alles drauf haben.
Stehende Ovationen des Publikums
Da konnten ihre Freunde vom MPG und aus Bulgarien natürlich nicht hinten anstehen. In der großen Erasmus Bigband, die abwechselnd von Mateusz Pitala und Marcel Steinrichter geleitet wurde, gab es dann in Sachen Begeisterungsstürme des Publikums keine Grenzen mehr. Pitalas selbst arrangierter "Tango Milonga" von J. Petersburski zeigte klassisch angehauchte Bigbandklänge. Beim "Hop Trop" des bulgarischen Komponisten A. Bojadziev stampfte das Publikum fleißig mit, "Ulla in Africa" arrangiert von Jazzlegende Peter Herbolzheimer erntete lange anhaltenden Beifall des Publikums.
Als Zugabe spielte die Erasmus Bigband noch einmal das "Hop Trop", diesmal dirigiert von Marcel Steinrichter und Mateusz Pitala. Wenn es noch eines Musterbeispiels für gelungene Völkerverständigung in diesem Konzert bedurft hätte, dann diese Zugabe, die stehende Ovationen des Publikums nach sich zog.