Es war nicht ihr erstes Konzert im Kloster Wechterswinkel, und es wird hoffentlich auch nicht ihr letztes gewesen sein. Pianistin Eva Smirnova gastierte mit einer „Russischen Nacht“ im Kulturzentrum des Landkreises. Mit ihrem überwältigenden Spiel auf dem Steinway-Flügel begeisterte Smirnova ihr Publikum und bekam zum Dank stehende Ovationen.
Nach Konzert und Zugabe steht eine gerührte Eva Smirnova vor ihrem Publikum und plaudert einfach drauf los. Wie sehr es ihr gefällt in den alten Klostermauern, wie sehr sie sich freut, dass so viele Menschen gekommen sind, um ihre Musik zu hören, wie sehr sie sich überhaupt freut, dass sich so viele Zuhörer an so viel russischer Musik erfreuen. So konzentriert wie Eva Smirnova am Flügel zu Werke geht, so unkompliziert scheint sie im verbalen Austausch mit dem Publikum. Letzteres hatte zuvor einer mehr als eindrucksvollen Klaviersoirée gelauscht. Eine „Russische Nacht“ hatte Eva Smirnova mit nach Wechterswinkel gebracht, mit Werken von Tschaikowsky, Prokofjew und Rachmaninow.
Die Pianistin Eva Smirnova hierzulande vorzustellen, hieße die sprichwörtlichen Eulen nach Athen zu tragen. Geboren und aufgewachsen ist sie in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg. Dort hat sie auch studiert, sie hat Arthur Rubinstein vorgespielt, hat Wettbewerbe dominiert – gemeinsam mit einer gewissen Martha Argerich. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kam Eva Smirnova in die westliche Welt. Seit vielen Jahren lebt die begnadete und höchstausgezeichnete Pianistin in Bad Kissingen.
Peter Tschaikowskys Zyklus der vier Jahreszeiten gehörte der erste Konzertteil Smirnovas. Den Januar am Kamin sowie den Karneval im Februar brauchten ihre Zuhörer, um sich in die Jahreszeiten Russlands der Jahre 1875/76 einzuhören. Spätestens mit den Weißen Nächten im Mai, dem Lied der Schnitter im Juli und dem Weihnachtsfest nahm Eva Smirnova ihr Publikum ganz mit auf diese einjährige Russlandreise.
Sergej Prokowjews hochdramatische Musik für das Ballett „Romeo und Julia“ eröffnete den zweiten Teil des Konzerts. Die Konzertsuite nimmt die wichtigsten Szene des shakespeareschen Stoffes auf. Eva Smirnovas Möglichkeiten, Klavierwerke vor dem inneren Auge der Zuhörer lebendig werden zu lassen, machten diese Suite zu einem großartigen Hörerlebnis.
Mit Ballett ging es weiter, mit „Der Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky, in dem Smirnova die heiteren Elemente ausarbeitete. Mit zwei „Bilderetüden“, Nr. 8 g-Moll und Nr. 5 es-Moll aus den „Études Tableaux“ von Sergei Rachmaninow, gab Eva Smirnova auch beim dritten Komponisten des Abends eine beeindruckende Vorstellung. Der Pianistin gelang es, wie man so schön sagt, dem Publikum einen Einblick in die Russische Seele zu ermöglichen. Der große Beifall bekundete, wie sehr dies Eva Smirnova gelungen ist.