zurück
WÜLFERSHAUSEN
Ein West-Berliner wird Wülfershäuser Gemeinderat
Günter Manke ist beruflich viel unterwegs, aber auch gerne zu Hause in seiner Wahlheimat Wülfershausen.
Foto: Regina Vossenkaul | Günter Manke ist beruflich viel unterwegs, aber auch gerne zu Hause in seiner Wahlheimat Wülfershausen.
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:11 Uhr

Oft wird über die Landflucht gesprochen und vom Zwang, dem Arbeitsplatz hinterher zu ziehen, aber es gibt auch die gegenteilige Bewegung. In einer Serie stellen wir Menschen vor, die auf dem Land ihre neue Wahlheimat gefunden haben. Wurden ihre Erwartungen erfüllt? Welche Vor- und Nachteile sehen sie aus heutiger Sicht? Zum Auftakt befragten wir Günter Manke, der von Berlin nach Wülfershausen zog.

Frage: Wann sind Sie in den Landkreis Rhön-Grabfeld gezogen und wie kam es dazu?

GÜNTER MANKE: Mitte der 70er Jahre erfuhren wir, dass der damalige Politiker Egon Bahr, bekannt durch seine Vermittler- und Gestalter-Rolle in der Ostpolitik („Wandel durch Annäherung“) unter der Regierung Willy Brandt, einen Plan zur Räumung West-Berlins ausgearbeitet hatte. Berlin sollte in Westdeutschland neu erstehen. Als stolze Besitzer einer kleinen Doppelhaushälfte befürchteten wir, uns mit einer Entschädigung nach DDR-Recht auseinandersetzen zu müssen, da wir keine Bundesbürger, sondern Bürger der selbstständigen Einheit Westberlin waren. Also musste ein bezahlbarer Neuanfang mit mehr Rechtssicherheit gefunden werden.

Die Nachfrage der Berliner war damals groß, um per Zweitwohnsitz Bundesbürger zu werden und damit auch einen Pass und den Status eines Bundesbürgers zu erhalten. So landeten wir über einen Berliner Makler im Grabfeld. Unser neues Domizil sollte nicht zu weit weg von Berlin sein, aber auch nicht im Fichtelgebirge, dort gab es schon zu viele Berliner. In Wülfershausen kauften wir schließlich 1981 ein altes Kleingehöft passend zum damaligen Geldbeutel. Bis 1984 hatten wir es so restauriert, dass die gesamte Familie alle Feiertage dort verlebt hat und alle erhielten einen Pass.

Haben Sie sich schnell eingelebt und Kontakte knüpfen können?

MANKE: Zunächst zogen die Eltern jeweils von April bis Oktober nach Wülfershausen und lebten sich sehr schnell bei den überaus toleranten, hilfsbereiten und gern zu einem Schwätzchen bereiten Bürgern ein. Mein Vater hielt Gänse, mit denen er jeden Tag zur Saale zog, um sie dort zu hüten. Meine Eltern fühlten sich wohl und wurden von den Nachbarn akzeptiert. Wir haben dann so manches „Schlagerlich“ gefeiert, unter Teilnahme der Nachbarn. Damit war die Integration vollzogen. Über die Neuanlage des Gartens wurden wir Mitglied im Gartenbauverein. Höhepunkt waren unsere Beteiligungen am „Tag des offenen Gartens“. Die von meiner Frau dabei organisierte Pflanzenbörse erbrachte immer rund 1000 Euro, die an den Kindergarten gingen. 2000 zogen wir ganz nach Wülfershausen und gaben den Standort Berlin auf, da es für mich als Vertriebsdirektor einer Firma beruflich egal war, von wo aus ich meinem Auslandjob nachkam, und meine Frau konnte im Garten ihrem Hobby nachgehen. Meine Frau übernahm ehrenamtlich die Pflege und Gestaltung des Kriegerdenkmals, ich übernahm die Pflege der Gemeindebäume mit Helfern aus dem Gartenbauverein. Seit rund acht Jahren bin ich für die CSU im Gemeinderat und mit 73 Jahren der Älteste.

Was sind für Sie persönlich die Vorteile vom Leben auf dem Lande?

MANKE: Die in der Großstadt gewohnte Anonymität gibt es hier nicht, dafür ein höheres Maß an Verständnis für die Marotten des Mitbürgers. Die Luft ist besser, die Menschen sind freundlicher, das Leben verläuft ruhiger als in der lauten Großstadt.

…. und die Nachteile?

MANKE: Die Nahversorgung ist schwierig, die ärztliche Versorgung im Facharztbereich ist manchmal von den gewährten Terminen her nicht akzeptabel. Beispiel: Ein Termin beim Neurologen dauert drei Monate.

Gibt es etwas, das Sie hier besonders vermissen?

MANKE: Eine bessere Anbindung an die Bahn und ein flächendeckendes Handynetz.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten an ihre Gemeinde oder an den Landkreis, was würden Sie sich wünschen?

MANKE: Seit ich im Gemeinderat mitarbeiten darf, lerne ich viele Probleme kennen, die nur politisch zu lösen sind. So ist die Führung eines Kindergartens in einer kleinen Gemeinde immer defizitär und sehr komplex. Kinder sind unsere Zukunft! Vielleicht können die Mandatsträger ihren Einfluss nutzen, um zu einer besseren Lastenverteilung zu kommen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Wülfershausen
Regina Vossenkaul
CSU
Egon Bahr
Großstädte
Obst- und Gartenbauvereine
Willy Brandt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top