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Meiningen
Nachruf auf Schauspieler Renatus Scheibe: Ein tragischer und ein komischer Komödiant
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:35 Uhr

Wenn er die Meininger Bühne betrat, konnte man sich sicher sein: Der Abend ist nicht verloren. Selbst wenn sich an der Inszenierung die Geister scheideten: Renatus Scheibe fügte sie – seine Rolle betreffend – wieder zusammen. Seine Auftritte waren Sternminütchen, im besten Fall Sternstündchen, weil sich das Publikum bei ihm auf der sicheren Seite wähnte.

Er war ein souveräner Komödiant, ein tragischer und ein komischer, der die Rollen, die er spielte, ernst nahm, auch wenn sie schrecklich unernst waren. Er kitzelte aus seinen Spiel-Charakteren zutiefst Menschliches hervor. Das Eitle. Das Lächerliche. Das Plumpe. Das Leichte. Das Sich-selbst-Überschätzende. Das Scheitern. Aber auch den Schelm und den Schalk, der weiß, dass man sich selbst und die Welt nicht zu ernst, aber gleichzeitig auch nicht zu unernst nehmen darf, um aufrecht über die Runden zu kommen.

Der im badischen Kenzingen geborene Künstler berührte die Seelen vieler Zuschauer und Zuschauerinnen, weil er das heimliche Wissen um die eigene Unzulänglichkeit und die der Spezies Mensch auf charmante Weise zutage fördern konnte. Das war sein Metier – und nicht nur das: Er, der sein Schauspielstudium am Salzburger Mozarteum und an der Schauspielschule Bochum absolviert hatte, arbeitete auch als Autor und Komponist für Bühnen- und Theatermusik. Ansgar Haag, der ehemalige Intendant des Meininger Staatstheaters, hatte ihn 2006 von Ulm nach Meiningen gelockt.

Viele Rollen verkörpert

Renatus Scheibe gehört zum überschaubaren Kreis von Schauspielern und Schauspielerinnen, die einem bereits beim bloßen Erscheinen auf der Bühne das Gefühl gaben: "Der Abend wird gut." Zuletzt geschah das in seiner Rolle als Höfling und Verseschmied Oronto in Molières Charakterkomödie "Der Menschenfeind", als aggressiver alter Heimbewohner in Maria Milisavljevićs "Alte Sorgen" oder als Conferencier bei den beliebten "Symphonic Pops". Blättert man durch die Jahre, fallen einem unzählige Rollen ein, die er in Schauspiel- und Musiktheaterproduktionen verkörperte, kleine und große. Vom polternden, aufbrausenden und in sich zusammensinkenden Onkel Wanja in Friedo Solters spektakulärer Inszenierung von Tschechows Drama im Herbst 2006, über den Leopold im "Weißen Rössl", den Jake in "Blues Brothers", bis eben zur Rolle des Oronto, in der er im Herbst wiederzusehen sein sollte. Wieviel Kraft ihm das intensive Charakterspiel und sein vielfältiges Engagement über die Jahrzehnte gekostet hat, lässt sich nur erahnen.

Am 27. Juli ist er im Alter von 58 Jahren gestorben. "Wenn die Gedanken bei dir sind", erinnert sich jemand, der ihn gut kannte, "dann sehen sie dich oft auf der Bühne. Vielen Dank für die vielen schönen Stunden."

 
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