Archäologische Arbeitsgruppen in Bayern graben nicht nur einfach drauflos, sondern genügen wissenschaftlichen Ansprüchen. Sie sind ehrenamtliche Mitarbeiter der Denkmalpflege in Bayern. Oft würden aufschlussreiche Funde dem Bagger zum Opfer fallen, wenn die Freizeit-Archäologen kein Auge darauf hätten. "Wir dürfen nicht nur, was andere nicht dürfen, wir sollen sogar, weil die Ämter nicht hinterherkommen", so Jahn.
So beim Bau der Autobahn A 71, den die Archäologen als "großen Sondierungsschnitt durch die Landschaft" bezeichnen. Schwere Maschinen schlagen seit einigen Monaten eine Schneise quer durch den Landkreis Rhön-Grabfeld. Dicht dahinter immer die ehrenamtlichen Archäologen. "Wenn die Bagger den Mutterboden wegschieben, dann schlagen sie das Geschichtsbuch auf, in dem wir lesen können", erklärt Walter Jahn. So waren die Bagger Fundhelfer für eine Abfallgrube aus der Zeit um 5 000 vor Christus.
"Archäologe und Bauarbeiter, die beiden verstehen sich hervorragend!", bestreitet Walter Jahn das Vorurteil, er und seine Kollegen seien gefürchtete Baustopper. "Ganz im Gegenteil, wir arbeiten nicht nur ehrenamtlich, sondern auch unamtlich." Während das Denkmalamt aus Personalmangel erst nach Wochen reagieren könnte und Bauarbeiten so lange stillliegen würden, sei die Archäologische Arbeitsgruppe schon Stunden nach der Entdeckung vor Ort.
Die Angst war groß, als vor einem Jahr bei der Erschließung eines Baugebietes - die künftigen Häuslebauer standen schon in den Startlöchern - eine 2200 Jahre alte Siedlung mit intakten Brennöfen gefunden wurde. "Doch die Leute vertrauten uns, wir waren ihre lokalen Ansprechpartner." Und sie arbeiteten deshalb eng mit den Ausgräbern zusammen. Es zeigte sich, dass die Arbeitsgruppe mit ihren 50 Mitgliedern zwischen 17 und 80 Jahren den Maschinen immer ein paar Meter voraus waren und jedem war somit gedient. Irgendwann wurden sogar die Bauarbeiter neugierig und der Baggerfahrer half mit großem Gerät dort nach, wo die Archäologen mit ihren kleinen Schaufeln viele Stunden verloren hätten.
Die Freizeitarchäologen, die im täglichen Leben unter anderem Bauer, Uhrmacher, Lehrer oder Rentner sind, verstehen sich als Heimatforscher der frühesten Geschichte. Ergebnisse präsentieren sie im landkreiseigenen Museum in Bad Königshofen oder direkt auf Radtouren entlang historischer Stätten. Deshalb wurden auch alte Hügelgräber wieder als Anschauungsobjekte aufgebaut.
Ihren Job machen die Freizeit-Archäologen mit professioneller Gewissenhaftigkeit, schriftlich, zeichnerisch und fotografisch dokumentieren sie jeden Fund. Jeder einzelne Mitarbeiter hat sein Fachgebiet. Der eine ist Spezialist für die Datierung der Funde, der andere ist ein idealer Spürhund, wenn es darum geht Fundstellen zu sichten. In über 30 Jahren hat die Arbeitsgruppe über 300 Funde gemacht, ausgegraben sind aber nicht alle. Die Gruppe wird nur tätig, wenn Fundstellen durch Bauarbeiten bedroht sind. "Dann machen wir das Archiv in der Erde schnell noch auf, bevor es zerstört wird."
Die Funde gehören "der Landschaft und den Einwohnern", die Arbeitsgruppe behält sie nur, um sie zu restaurieren. So trifft sich jeden Monat die Keramikgruppe im Keller von Walter Jahn, in dem sich Hunderte Kartons stapeln, und klebt aus den vielen Scherben die Tongefäße wieder zusammen. "Bei uns geht's zu wie beim Puzzlespielen", erklären die Frauen. Hin und wieder gellt ein Jubelschrei durch den Keller: "Jaaaa, das passt!"