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NORDHEIM/FLADUNGEN
Ein Haus zieht um: Spektakulärer Kalthaus-Transport nach Fladungen
Am Freitagmorgen ist die Straße zwischen Nordheim und Fladungen leer. Nur ein Haus auf einen Tieflader rollt langsam über die B 285. Das Nordheimer Kalthaus wird am Stück ins Freilandmuseum umgesetzt.
Auf großer Reise: Das Kalthaus aus Nordheim wird, aufgesetzt auf einen Tieflader, langsam über die B 285 in Richtung Fladungen gezogen. Im Freilandmuseum hat es nun seinen neuen Standort.
Foto: Alle Steffen Standke | Auf großer Reise: Das Kalthaus aus Nordheim wird, aufgesetzt auf einen Tieflader, langsam über die B 285 in Richtung Fladungen gezogen. Im Freilandmuseum hat es nun seinen neuen Standort.
Standke Steffen
 |  aktualisiert: 23.11.2014 11:33 Uhr

Es gab keine dröhnenden Motoren, keine aufgeregten Schreie, nicht einmal eine leichte Erschütterung. Fast geräuschlos hob das Nordheimer Kalthaus samt Unterbau aus Stahl und Beton von seinem ursprünglichen Standort an der Streu ab. Kurze Zeit später schwebte die Konstruktion über dem Nachbarhaus. Es war der erste Akt des Abtransports ins Fränkische Freilandmuseum Fladungen. Eine Fahrt mit kleinen Hindernissen.

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Diesen Moment wollten sich Julius Hippeli aus Nordheim und Burkard Schmitt aus Fladungen nicht entgehen lassen. Die beiden Ruheständler fanden sich, wie viele andere Schaulustige, schon vor halb acht auf der gegenüberliegenden Streu-Seite ein. Sie wollten live miterleben, wie das Kalthaus abhebt.

Schmitt und Hippeli besitzen eine besondere Bindung zum Freilandmuseum. Es war früher ihr Arbeitgeber. Als Mitarbeiter des museumseigenen Bauhofs halfen sie vor Jahren mit, das erste Gebäude in einem Stück nach Fladungen zu versetzen – ein Heiligenhäuschen aus Brendlorenzen. „Das war damals eine Nummer kleiner“, erinnert sich der Fladunger.

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Jetzt geht es um 110 Tonnen, verbunden mit einem 35 Meter langen Ausleger. Ob die sich wohl heben lassen?

Julius Hippeli weiß, dass es geht. Er wohnt in Sichtweite des Kalthauses. Donnerstagabend hat er den Probelauf beobachtet. Da wurde das Haus samt Plattform schon einmal um 20 Zentimeter angehoben – und heil wieder abgesetzt.

Die beiden Ruheständler können das ausführlich erzählen, weil drüben erst einmal gar nichts passiert. Bis 8.15 Uhr. Dann hebt das Kalthaus endlich ab. Scheinbar leicht wie eine Feder wird es knapp am Dach des Nachbarhauses vorbeigeschwenkt. Maßarbeit.

Dann schwebt es 30 Zentimeter über dem Auflieger. Das erste Problemchen. Das Kalthaus hängt mit einer Seite mitten im Geäst eines Baumes. Eine Säge muss her. Nachdem der Ast gefallen ist, wird die Konstruktion abgesenkt. Schön mittig, damit sie beim Transport nicht seitlich abkippt.

Alfred Allgeier steckt sich da schon seine Pfeife an. Der Ostheimer Restaurator und Bauunternehmer hatte die Idee, das Kalthaus im Ganzen zu versetzen. So überzeugt war er, dass das klappt, dass er sagt: „Ich habe heute Nacht sehr gut geschlafen.“ Wenig später wirkt er doch etwas nervös. Am Kalthaus hat sich ein Riss gebildet. Der war vor der Flugeinlage noch nicht da.

„Auch kein Problem“, sagt Dieter Federlein. Er und die Mitarbeiter seines Ingenieurbüros haben die Statik des Hauses untersucht und geprüft, ob es die Translozierung (so der Fachbegriff für die Gebäudeversetzung) aushält. Bei so einem Transport entsteht der ein oder andere Riss, so der Fachmann. Das sei normal. In dieser Hinsicht gebe es auf der Fahrt einige kritische Stellen – die Auffahrt auf die B 285 in Nordheim zum Beispiel oder den Bahnübergang hinter Heufurt.

Zunächst aber müssen die Transporteure der Firma Markewitsch eine andere Herausforderung meistern. Am Fahrradladen in der Nordheimer Ortsmitte bleiben zwischen dem 6,5 Meter breiten Kalthaus und den Anwesen an der Straße auf beiden Seiten nur je fünf Zentimeter Luft.

Die Zugmaschine wird weit vor der Engstelle abgekoppelt; jetzt navigiert ein Mitarbeiter per Funk den mit einem Aggregat betriebenen Auflieger durch den Engpass.

Bis zu einer Straßenlaterne. Deren auskragender Schirm ragt in die Straße. Das Kalthaus würde die Lampe wegreißen. Das hatten die Transporteure nicht bedacht. Jetzt schlägt die Stunde von Gerhard Heurung. Der wohnt nicht nur direkt an der Engstelle; er arbeitet glücklicherweise beim Überlandwerk Rhön. Heurung holt eine Leiter, schraubt Laternenglas und -schirm einfach ab. Der Weg ist frei.

Alles Weitere ähnelt einem Faschingszug, bei dem das Narrenschiff durchs Dorf wankt. Am Mittag kommt das Kalthaus im Freilandmuseum an – ohne weitere Zwischenfälle.

Dort bereiten die Verantwortlichen um Museumsleiterin Sabine Fechter und Karsten eck, Geschäftsleiter des Zweckverbands des Freilandmuseums, den offiziellen Empfang vor. Die Fundamente sind gegossen, die Verpflegung bereitgestellt. Sogar Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel (CSU) ist aus Würzburg angereist, will sprechen.

Das Kalthaus steht etwas abseits. Noch. Das, was jetzt kommt, ähnelt dem Prozedere vom frühen Morgen: Tieflader mit Gebäude an den Ausleger heranfahren, Gurte anbringen, Haus herabheben. Schon schwebt es über der vorbereiteten Baugrube. Behutsam setzen es die Bauleute an die richtige Stelle, Alfred Allgeier mitten unter ihnen.

Karsten Eck ist stolz: „Für das Museum ist das ein Hit. Ein vollständig erhaltenes Gebäude. Besser geht es nicht.“

Stolz ist allerdings auch die Summe, die die Translozierung insgesamt kosten soll. Eck rechnet mit 279 000 Euro. Wobei die Bayerische Landesstiftung 30 000 Euro und die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen 35 000 Euro zuschießen. So muss der Zweckverband des Freilandmuseums noch 214 000 Euro selbst aufbringen – fast sein gesamtes Jahresbudget.

Für den begleitenden Architekten Alfred Wiener aus Karlstadt bot die Überführung des Kalthauses als Ganzes nur Vorteile. So wurden Einbauten erhalten, die beim zunächst angedachten Auseinanderbauen sicher verloren gegangen wären. Auch mussten Kran und Transportfahrzeuge nur einmal, für einen Tag, anrücken.

Das Kalthaus sitzt um 16.30 Uhr am Freitagnachmittag an Ort und Stelle. Die Anwesenden klatschen. Wenn das Freilandmuseum im nächsten Frühjahr seine Saison eröffnet, werden Besucher es von außen und natürlich auch von innen bewundern können.

 
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