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Ein Haus voll cooler Technik
Frisch eröffnet: Viele Besucher des Freilandmuseums wollten das Herz des Nordheimer Kalthauses sehen
Welches Fach gefällig? Christof Beck betreute das Kalthaus von 2004 bis zum Schluss.
| Welches Fach gefällig? Christof Beck betreute das Kalthaus von 2004 bis zum Schluss.
Steffen Standke
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 19.04.2015 18:39 Uhr
Fotoserie

Es war im Frühjahr 2010, als Christof Beck die Technik im Kalthaus endgültig abschaltete. Zu wenige Nordheimer nutzten die Anlage noch; viele der 144 Gefrierfächer standen leer. Fünf Jahre später: Beck steht auf dem Gelände des Fränkischen Freilandmuseums in Fladungen – und wundert sich. Viele Menschen interessieren sich nun für das Kalthaus und seine Technik. Neben Politikern auch viele eigens angereiste Nordheimer.

Beck besuchte das Freilandmuseum zur feierlichen Eröffnung des technischen Schmuckstücks. Von 2004 bis 2010 hatte er die Gemeinschaftsanlage betreut.

Drinnen hat sich nichts verändert: die hoch gefliesten Wände, die etwas antiquiert wirkende Motorentechnik, große Relaiskästen, Drehschalter im Stil der 1950er, das hölzerne Treppchen.

Nur das Drehkarussell – das Herzstück der Anlage – versteckt sich nun hinter einer Glasscheibe. Niemand soll sich die Finger quetschen, wenn es in Bewegung gesetzt wird, meint die Museumsleitung.

Das Ingangsetzen geschieht über ein Schaltbord neben der Scheibe. Der Nutzer drückt einen Knopf. Neun Ebenen zu je 16 Gefrierfächern rollen an. Jedes mit je 60 Litern Fassungsvermögen. Die Mechanik stoppt, wenn das Karussell die gewünschte Position erreicht hat.

Früher, erzählt Beck, hing statt der Scheibe eine massive Tür in der Öffnung zum Kühlkarussell. Sie blieb während des Drehvorgangs geschlossen. Der Nutzer sah das Innere nicht, musste sich die Nummer seines Fachs und die Ebene genau einprägen. Wer seine Daten vergaß, fand sein Fach nur schwer wieder.

Zum Schluss aber merkten sich nur noch wenige, meist ältere Nordheimer Nummern. Fast jeder verfügte daheim über eigene Kühlgeräte, benötigte die Fächer nicht mehr.

Christof Beck selbst besaß zwei Fächer. Er berichtet davon, dass bei Festen in der Nähe ganze Kuchen und Torten im Kühlraum neben dem Karussell zwischengelagert wurden. Und dass manch Gekühltes in den frostigen Fächern vergessen wurde.

Ende 2009 setzten sich die verbliebenen Nutzer zusammen. Sie entschieden, die Kühlanlage aufzugeben. Nur wenige Monate später unterbreitete das Freilandmuseum der Gemeinde das Angebot, das Kalthaus nach Fladungen zu holen. Leiterin Sabine Fechter stellte das Projekt im Gemeinderat vor.

Die Räte, so erzählte Bürgermeister Thomas Fischer bei der Einweihung, seien so begeistert gewesen, dass sie noch in der selben Sitzung zustimmten. Und zwar geschlossen. Am 21. November 2014 wurde das Kalthaus medienwirksam nach Fladungen transloziert, wie der Fachmann es ausdrückt. Seit gestern ist es allen Besuchern zugänglich.

Hochgefahren wie zu Becks Zeiten wird die Kühltechnik allerdings nicht mehr. „Zum Glück“, findet Beck. Denn die Anlage zu betreiben, bereitete große Anstrengung. „Jeden Tag bin ich damals gucken gegangen.“

Alle vier bis fünf Wochen hätte die Anlage im Winter abgetaut werden müssen, im Sommer gar alle 14 Tage. Denn bei heißen Temperaturen verlor das Kühlsystem durch die löchrige Dämmung mehr Feuchtigkeit an die Umgebung. Die Anlage vereiste. Und es wurde mehr Energie verbraucht. „Als es zu Ende ging, war ich froh, dass die Belastung weg war“ erinnert sich der Nordheimer.“

Am Eröffnungstag stellte das Kühlkarussell die Hauptattraktion dar. Viele Menschen drückten die Knöpfe auf dem Steuerbord. Auch politisch Verantwortliche und Mitarbeiter des Museums.

Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel und Landrat Thomas Habermann zeichneten nach, wie technisch und geschichtlich bedeutend das Kalthaus sich präsentiert. Karsten Eck, Geschäftsleiter des Museums, und Architekt Alfred Wiener würdigten den gewagten, aber dennoch geglückten Transport im vergangenen November.

Museumsleiterin Sabine Fechter beschenkte Alfred Allgeier, Ideengeber und Organisator der Translozierung, an seinem 56. Geburtstag. Bürgermeister Fischer fühlte, „dass Nordheim jetzt a bissle Freilandmuseum ist, und Freilandmuseum a bissle Nordheim“. Und schließlich nahm der Verein für historische Kälte- und Klimatechnik das Kalthaus als 54. Station in seine „Straße der Kälte“ auf.

Christof Beck muss sich nun nicht mehr um das Kalthaus Nordheim kümmern. Er freut sich, dass es im Freilandmuseum gepflegt und erhalten wird. Ein Zettel an der Tür zum Kühlraum erinnert daran, dass er für das Haus verantwortlich war. Ein Stück Originalausstattung quasi. Es soll kleben bleiben.

Außergewöhnlich: Seit Sonntag können Besucher die bemerkenswerte Technik im Innern des Nordheimer Kalthauses im Fladunger Freilandmuseum bestaunen.
Foto: Steffen standke | Außergewöhnlich: Seit Sonntag können Besucher die bemerkenswerte Technik im Innern des Nordheimer Kalthauses im Fladunger Freilandmuseum bestaunen.
Verdient: Chefumsetzer Alfred Allgeier wurde von Museumsleiterin Sabine Fechter geehrt.
| Verdient: Chefumsetzer Alfred Allgeier wurde von Museumsleiterin Sabine Fechter geehrt.
Nostalgisch: Nicht nur die Schalter, alles ist im Kalthaus original erhalten.
| Nostalgisch: Nicht nur die Schalter, alles ist im Kalthaus original erhalten.
Atmosphärisch: Die bläuliche Beleuchtung des Kühlkarussells soll Kälte symbolisieren.
| Atmosphärisch: Die bläuliche Beleuchtung des Kühlkarussells soll Kälte symbolisieren.
 
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