(new) Dieses Erzähl-Café war in mehrfacher Hinsicht ein ganz besonderes. Denn es fand zum ersten Mal ohne seinen Motor und seine Seele Rudolf Brunner statt.
Mit Dankbarkeit gedachte die Zuhörerrunde im Gewölbekeller des Caritashauses Edith Stein des Verstorbenen und mit Moderator Erich Spieß waren sich alle einig, dass das Erzähl-Café im Sinne Brunners weitergehen werde. Zunächst allerdings geht dieser nette Samstagskreis in die Sommerpause.
Persönlich betroffen vom Tod Brunners war auch der Erzähler. Denn aus Gerhard Rötters Thema „Die Rhön- und Saalepost, Karriere eines Heimatblattes“ lässt sich der „Rudi aus der Rhön“ mit seinen Beiträgen nicht wegdenken.
Die Entwicklung „seiner“ Zeitung vergegenwärtigte Rötter dann in einem liebevollen Gang durch eineinhalb Jahrhunderte Zeit-, Heimat- und Familiengeschichte. 1858 war der Buchdrucker Max Josef Mayer mit seiner Frau und seinem Stiefsohn Gallus Rötter nach Bad Neustadt gekommen und gründete in der Schuhmarktstraße die erste Buchdruckerei im weiten Umfeld.
Die erste Ausgabe der „Rhön- und Saal-Post“, die jeder Erzähl-Café-Besucher in einem Faksimile-Druck studieren kann, erschien am 1. Juli 1862. Vier kleine Seiten kamen dienstags, donnerstags und samstags heraus mit vielen amtlichen Bekanntmachungen auch aus dem hessischen Raum, der bis 1866 noch zu Bayern gehörte.
Papier, das damals aus Hadern und Lumpen hergestellt wurde, war teuer, die Buchstaben wurden im Handsatz gesetzt und von Anfang an wurde den Anzeigen viel Platz eingeräumt. Ab 1866 wurde die Zeitung mit der Postkutsche ausgetragen. Ein Jahresabonnement kostete zwei Gulden im Jahr, so viel wie ein Scheffel Weizen.
1865 erwarb Max Josef Mayer das Anwesen in der Rossmarktstraße, die Häfnergasse wurde im Volksmund zum „Buchdrucker-Gässle“. Ab 1869 gab Gerhards Urgroßvater Gallus Rötter dann die „Rhön- und Saal-Post“ als Tageszeitung heraus.
Viele markante Daten aus der Chronik wusste Gerhard Rötter zu nennen, er führte vor allem die enormen technischen Veränderungen beim Druck vor Augen. Einschneidenden Einfluss auf den Inhalt der Zeitung hatte die Politik im Ersten Weltkrieg, als die Zensur nicht selten dafür sorgte, dass Artikel herausgenommen wurden und Lücken mit unbedrucktem Papier entstanden. Während des Nazi-Regimes war die Druckerei permanent von Stilllegung bedroht, die Kaltstellung erfolgte im März 1945. Mit dem 1. August 1949 erhielt die Rhön- und Saalepost wieder ihre Lizenz, vom absoluten Neuanfang vollzog sich eine Entwicklung zu einer Auflagenstärke von 6000 Exemplaren in den 90er-Jahren.
Eine nette Episode wusste Rötter, der mit seiner Frau Gisela seit 1969 in der Verantwortung steht, aus den Anfangstagen des Heimatblatts zu erzählen. So sah sich der Pfarrer von Weisbach 1865 in einem könig- und fürstenhörigen Klima veranlasst, gegen die freiheitlicheren Tendenzen zu wettern und vor „dieser gefährlichen Zeitung“ zu warnen. Ergebnis: 40 neue Leser.