Deppenmagnet, welch ein schönes Wort. Wer mit etwas Feingefühl durch die Welt geht, hat schnell den Gedanken, dass er eigentlich von Deppen aller Sorten umgeben ist. Gut, man kann diesen Umstand vielleicht gewählter ausdrücken, etwas euphemistischer, vielleicht differenzierter. Aber am Grundzustand ändert sich nichts: Ein beachtlicher Teil der Menschen passt genau in diese grobe Schublade.
Deppenmagnet
„Deppenmagnet“ heißt das aktuelle Programm des Ingolstädter Komikers Günter Grünwald, der damit am Mittwoch in der voll besetzten Stadthalle gastierte. Er hatte die alte Halle von seinem Auftritt 2008 noch in Erinnerung. Das komödiantische Thema Grünwalds und seine Umsetzung in ein Bühnenprogramm hat sich seitdem eigentlich nicht geändert. Bewährt ist bewährt, das ist mindestens oberbayerisches Prinzip.
Grünwald sucht sich Menschen aus, die zum Depperten neigen und erzählt eine anfangs harmlose Geschichte über sie, die sich in vielen Windungen immer weiter steigert und beinahe ins Absurde kippt. Der etwas einfältige Bekannte zum Beispiel, der dem Trend des Tätowierens folgen will, aus übertriebenen Spargründen aber einen rumänischen Fliesenleger anheuert, der statt eines „Born to loose“ ein „Born in Toulouse“ aufs Schulterblatt ätzt. Eine schlichte Pointe beim Nacherzählen, auf der Bühne aber herrlich grotesk inszeniert.
Die Geschichte vom „Südtiroler“
Das gilt ähnlich auch für die Geschichte vom „Südtiroler“, den sich der Neffe wünscht. Da wird dann in Bozen ein Obdachloser eingekauft, hygienisch brauchbar gemacht, bis sich am Ende herausstellt, dass der Bub nur einen „City-Roller“ haben wollte. Dass die Geschichte gut zehn Jahre zurückliegt, der Südtiroler aber immer noch im Haus lebt, macht die Groteske perfekt.
Die Schilderungen des Geschehens im tiefsten oberbayerischen Idiom sind der eigentliche Genuss eines Grünwalds-Abends. Das Grantige, Grobianische, dann wieder Wütende und Zeternde im Vortrag haben eine seltsam befreiende Wirkung. Und wenn Grünwald das ästhetische Urteil seiner Proleten übernimmt und ein weich gewordenes Ziffernblatt über einem Ast des Surrealisten Dalí gegen eine „Nackerte“ auf einem weißen Schimmel ohne Sattel stellt, die einen Strand entlangreitet, dann scheitert alle Kunstpädagogik und die Wahl fällt nachvollziehbar aus.
Ein zutiefst barock denkender Humorist
Günter Grünwald, der Bayer, ist ein zutiefst barock denkender Humorist. Sein Auge kommt von den Leibern nicht los, die er während des Zweistundenprogramms schildert. Im Swingerclub „Kreisverkehr“ entdeckt er ein Pärchen an der Bar. Wampen, Waden, Orangenhaut und ein unsagbar dünner Stringtanga lassen Grünwald zu einer von üblen Schimpfwörtern durchsetzten Tirade anheben, wie man sie keinem Menschen außer diesem Swinger-Pärchen und vielleicht noch ein paar Anderen wünscht.
Ja, man möchte manchmal einen Abflussreiniger auf die Menschheit loslassen – und Günter Grünwald tut es, als sich einer seiner Stammtischbrüder beim Forellen-Essen mit einer Gräte verschluckt. Noch so eine herrlich aberwitzig-überdrehte Geschichte, die ein bisschen auch an Gerhard Polt erinnert.
Eine herrlich grobe Keule
Politisch ist Grünwald, der einst für die Grünen Ingolstädter Bürgermeister werden wollte, in seinem Programm nicht. Einmal erwähnt er das Thema Ehe für Alle, es erscheint tatsächlich deplatziert. Grünwald bekommt sofort die Kurve, wenn sich der Friseur in seinem Heimatdorf als heterosexuell outet.
Ansonsten schwingt Grünwald die herrlich grobe Keule über den nicht endenden Kochshow-Wahn oder Schönheitschirurgen-Missgriffe. Tim Mälzer wird ebenso wenig verschont wie Dolly Buster („verwachsener Knödelkopf“). Da ist Grünwald zu sehr dem Barocken verhaftet, als dass er das künstliche Hinausschieben des Alterungsprozesses ohne Schimpfkanonade durchgehen ließe.
Das Publikum jedenfalls genoss die komischen zwei Stunden ausgiebig, eine feine Zugabe gab's obendrauf.