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BAD KÖNIGSHOFEN
Ein Buch aus Feldpostbriefen
Ordner mit Feldpost: Alfred Müller zeigte bei der Autorenlesung die Originale und las aus dem daraus gestalteten Buch „Verlorene Jahre“, das einen Einblick in die Denkweise und die Schicksale der damaligen Familienmitglieder gibt.
Foto: Regina Vossenkaul | Ordner mit Feldpost: Alfred Müller zeigte bei der Autorenlesung die Originale und las aus dem daraus gestalteten Buch „Verlorene Jahre“, das einen Einblick in die Denkweise und die Schicksale der ...
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 15.05.2015 16:02 Uhr

„Lieber Eduard! Wenn Du nach Polen kommst, sei vorsichtig, denn sie erzählen allerhand von ihnen“, schrieb die Mutter an ihren Sohn, bevor das Land von den Deutschen besetzt wurde. Der Ratschlag stammt aus einer Kiste voller Briefe, die Alfred Müller aus Junkersdorf 1982 unter dem Bett seines Vaters gefunden hat. Er machte ein Buch daraus. 70 Jahre nach Kriegsende stellte er es im Mehrgenerationenhaus vor.

Das Besondere: Es sind nicht nur Briefe des Soldaten in die Heimat, sondern auch Briefe, die aus der Heimat an die Front gingen, geschrieben von Frau, Schwester und Mutter. Wie Buchautor Müller berichtete, konnte sein Vater die Briefe bei sich behalten, weil er meist mit Pferdegespannen unterwegs war, zum Heimaturlaub hat er sie mitgebracht. So geben die Zeugnisse der damaligen Zeit einen Einblick in die Hoffnungen, Ängste und Schwierigkeiten sowohl an der Front als auch zu Hause. Viel Zeit hat Müller damit verbracht die Post chronologisch zu ordnen. Mit Kommentaren und Zeitungsausschnitten wurde daraus das 104 Seiten starke Buch „Verlorene Jahre“.

Vater Eduard Müller hatte sich zum „Reitersturm“ gemeldet, einer berittenen Abteilung der SS. Er heiratete Pfingsten 1939 seine Lina, die auch bald schwanger wurde. Bereits am 6. September 1939 wurde der junge Ehemann eingezogen. Er war bis zum Ende 1945 im Kriegseinsatz, danach noch bis 1950 in russischer Gefangenschaft.

Durch den gesamten Briefwechsel zieht sich die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende, wobei die Formulierung „siegreiches Ende“ im Laufe der Jahre verschwand. Anhand der Briefe des Vaters konnte der Autor die Bewegungen der Truppen nachvollziehen. „Viele Grüße von unterwegs“, schrieb der Vater am 8. Mai 1940. „Wir sind jetzt in der Nähe von Stuttgart“. Am 10. Mai begann die Westoffensive der Deutschen. Die zunehmende Angst um den Ehemann und Vater steht immer zwischen den Zeilen der zahlreichen Briefe. In der Post von daheim wird auch von den vielen Gefallenen aus der Umgebung berichtet, vom Fliegeralarm, von Zwangsarbeitern und einer Frau, der die Leute die Haare abgeschnitten und ein Plakat umgehängt hatten, weil sie eine Beziehung zu einem Franzosen hatte.

„Die Waren werden knapp, die Lebensmittel sind rationalisiert, Hausschlachtungen sind verboten“, schrieb Lina Müller an ihren Mann im Mai 1941. Er berichtete von schweren Verlusten an der Ostfront, bei der Einnahme von Luga und bei Kämpfen rund um Leningrad. „Erst kommt die Munition, dann das Essen, dann alles andere. Alles ist morastig“, schrieb der Vater. Er erwähnte wöchentliche Entlausungen und die Pferde, „die armen Tiere“, die schwer arbeiten mussten. 1943 wurde er am Arm verwundet und in eine Kaserne nach Holland versetzt, bevor er im Herbst 1944 wieder an die Ostfront musste. Dort erlebte er das Kriegsende und kam in russische Gefangenschaft, womit auch der Briefwechsel bis auf wenige Lebenszeichen beendet war. Die verlorenen Jahre ließen sich nicht nachholen. Bei der Entnazifizierung wurde Eduard Müller als „Mitläufer“ eingestuft. Der zweite Sohn, Alfred, wurde 1951 geboren, der Vater starb mit 71 Jahren 1982.

 
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