
Es war ein einziges Telefonat im Jahre 1988, das Ute Lemper mit der deutschen Schauspiel- und Musiklegende Marlene Dietrich führte. Ein Telefonat, das die Musicaldarstellerin, Sängerin und Tänzerin, die in Europa wie in den Vereinigten Staaten große Erfolge feierte, nie vergessen sollte. Einen ganzen Abend in der Stadthalle lang ließ Ute Lemper nun ihre Zuhörer hinein lauschen in dieses Telefongespräch. Mit viel Persönlichem und vielen Liedern der Dietrich. Sehr zur Freude des restlos begeisterten Publikums.
"Cabaret" in Bad Neustadt wie in Paris
Es war kein lauter Abend in der Stadthalle. Eher ruhig, getragen, teilweise sogar etwas zu ruhig, zu getragen. Ute Lemper nahm im Sessel Platz wie seinerzeit, als sie mit dem Musical „Cabaret“ in Paris einen Riesenerfolg feierte. Die Presse nannte sie „die neue Dietrich“ und das konnte die alternde Diva, die fast vergessen in ihrer kleinen Pariser Wohnung der steilen Karriere des damaligen Jungstars folgte, nicht unkommentiert lassen. Also griff Marlene Dietrich zum Telefon und rief Ute Lemper an. Drei Stunden haben die beiden miteinander gesprochen, was die Lemper nie mehr vergessen sollte.

Ebenso viel Stolz wie Verbitterung über ihr Leben habe die Dietrich in dem Gespräch geäußert, sagt Ute Lemper. Stolz auf ihre Leistungen als Künstlerin - unvergessen ihre Rolle in dem Ufa-Klassiker „Der blaue Engel“ -, Verbitterung darüber, dass sie im Nachkriegsdeutschland künstlerisch nie mehr Fuß fassen konnte, weil sie zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges in Amerika lebte und die alliierten Soldaten unterstützte. In ihrer eigentlich deutschen Heimat wurde sie bisweilen sogar als „Vaterlandsverräterin“ beschimpft. Sie zog sich im Alter nach Paris zurück.
Die Schmerzen des Herzens
Ute Lemper liegt es fern, es ihrem Publikum mit dem Programm „Rendezvous mit Marlene“ leicht zu machen. Mit dem kriegskritischen Lied „Sag mir, wo die Blumen sind“ startet sie in den Abend und folgt auch weiterhin der Dietrich, die einst am Telefon verlautete: „Die Schmerzen des Herzens tun am meisten weh!“ Auch wenn mal die gute Laune in „Just a Gigolo“ aufbrandete, der überwiegende Teil des Programms sollte nachdenklich, teilweise verbittert bleiben. Eben aus der Sicht der alternden Dietrich.
Was den Abend in der Stadthalle aber unvergesslich macht, ist das Vermögen der Ute Lemper auf der großen Bühne. Sie braucht keine großen Bewegungen, steht auf der Stelle, rezitiert, singt und das Publikum im mucksmäuschenstillen großen Saal hängt ihr an den Lippen. Begleitet wird sie von einer wohlfeilen und gefühlvoll agierenden kleinen Band mit Klavier, Geige, Kontrabass und Schlagzeug. Ihr immenses stimmliches Können zeigt die Sängerin Ute Lemper ein ums andere Mal und übertrifft damit ihr „Vorbild“ Marlene Dietrich um ein Vielfaches. Mit dabei natürlich „Die fesche Lola“ und „Lili Marleen“ aber auch „Blowin' in the Wind“ von Bob Dylan.
Künstlerisch wertvoll
Lange Jahre wurde Ute Lemper in Deutschland als die neue Dietrich gefeiert, spätestens nach ihrem großartigen Auftritt als Lola in „Der blaue Engel“ im Theater des Westens 1992. Nur wenige Tage vor der damaligen Premiere in Berlin ist Marlene Dietrich einsam in ihrer kleinen Pariser Wohnung in Alter von 90 Jahren gestorben. Ute Lemper sorgt dafür, dass sie nicht in Vergessenheit gerät mit einem Programm, das es in sich hat und viel Persönliches des einstigen Stars Marlene Dietrich offenbart. Und das ganz viel Marlene Dietrich ist und nur ganz wenig Ute Lemper.
Das Publikum in der Stadthalle bedankte sich mit stehenden Ovationen für diesen herausragenden und trotz aller Getragenheit ebenso spannenden wie künstlerisch wertvollen Abend. Vor allem für diesen einen Moment, in dem sie in „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ aus dem Film „Der blaue Engel“, lasziv auf einem Hocker sitzend ihre Beine zeigt. Großartig.