
Die Nacht mit ihren Facetten – mal furchteinflößend und gruselig, mal besinnlich, inspirierend und Balsam für die Seele – stand im Mittelpunkt des Konzertabends im Kloster Wechterswinkel. Pianistin Micaela Gelius und Rezitator Alexander Wagner nahmen die Besucher mit auf eine unterhaltsame und einfühlsame, musikalisch-literarische Reise in die Nacht.
Bei ihrem Programm bildeten Text und Musik eine Einheit, so dass Applaus nur vor der Pause und am Ende gespendet werden durfte. Umso begeisterter fiel er aus. Mit dem bedrückenden, auch bedrohlichen, dann aber hochjauchzenden „Aufschwung“ von Robert Schumann aus „Phantasiestücke op.12“ stimmte Gelius ein, während Wagner aus der „Kulturgeschichte der Nacht“ von Elisabeth Bronfen las und erkannte, dass „die Nacht nicht allein zum Schlafen da“ ist.
Passend zu Claude Debussys „claire de la lune“, das von der Pianistin eingängig, schwebend wie eine Feder, losgelöst von allen Sorgen und verspielt präsentiert wurde, die „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff. Romantisch ging es weiter mit den temperamentvollen, lautmalerischen „Night winds“ von Griffes. Düster Annette von Droste-Hülshoffs „Beim Erwachen der Nacht“, wenn sie sieht, „wie schwarzer Rauch die Nacht bedeckt“.
Erinnerungen an Frederic Chopin lässt George Sand wach werden, die zwischen dem „Scherzo b-moll, op. 31“ und der „Regentropfen-Prélude“ eingebunden wurden. Die Zuhörer erfahren dabei, dass diese „Regentropfen-Prélude“ in einer düsteren Regennacht entstanden ist.
Nicht weniger geheimnisvoll Robert Schumanns „In der Nacht“. Dieses Fantasiestück hat die tragische Sage von Leander und Hero zum Inhalt, die wie die deutsche Geschichte von den beiden Königskindern nicht zueinander finden dürfen.
Während das Programm vor der Pause der Romantik gewidmet war, wurden nach der Pause impressionistische Stücke von der Dozentin für Klavier an der Augsburger Universität und vom Autor, Übersetzer und Rezitator dargeboten. Wagners dunkle, warme Stimme erzählte vom „Mondtreffen“ (Hans Arp), wobei er feststellte, dass „leider nicht alles Mond ist, was silbern glänzt“. Das Publikum musste bei den absurden Begriffskonstruktionen schmunzeln.
Ebenso leicht schräg, purzelbaumschlagend und wirr der musikalische „Kobold“ von Edvard Grieg. Ausgefallen der Wunsch in Enzensbergers „Schläferung“, einen doch „in der Gitarre“schlafen zu lassen. Claude Debussys „La soirée dans Grenade“ wie auch Glinkas und Borodins „Nocturne“ und das abschließende „Automne“ waren Stücke, die die Besucher entspannen ließen.
Passend dazu die Prosatexte, wie „Ein Traum“ von John Berger, Christian Morgensterns „Es ist Nacht“ oder die „Nächtliche Gewissheit“ von Gioconda Belli, bei der die Autorin beobachtet, wie die Bäume aufrecht schlafen. Mit „Die Nacht“ hat Al Alvarez den Text überschrieben, der die Reihe der Prosa abschloss. Der Abend durfte nicht ohne eine musikalische Zugabe und Max Kruses „Abendlied“ enden.