"Suche nicht, was Dir fehlt, sondern genieße, was Du hast." Dieser Spruch in der Wohnküche der Familie Pörtner in Heustreu erinnert sie täglich daran, dass jeder Moment kostbar ist. Wer wüsste dies besser als Michael Pörtner. Damals, im Jahr 2014 hatten er und seine Frau Katja gerade das Haus gebaut, ihr Sonnenschein Hannes war zwei Jahre alt. Pörtner arbeitete bei der Firma Kunert-Wellpappe in Bad Neustadt. Eigentlich war alles perfekt.
Zumindest bis Michael Pörtner 2014 an seinem Hoden einen festsitzenden Knoten spürte. "Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Mir kam der Gedanke, dass es eine Zyste oder etwas ähnliches sein konnte", erinnert sich der damals 31-Jährige zurück. Was sollte es auch Schlimmes sein, schließlich war er noch jung.
Eine Operation war unausweichlich
Zum Glück ging er gleich zum Urologen, der ihm eröffnete, dass das, was er spürte, ein Tumor sei. "Als ich das hörte war es, als würde mir die Luft abgeschnürt", erinnert sich Pörtner genau an diesen Moment. Er fürchtete, dass das sein Todesurteil bedeutete. Dann ging alles sehr schnell. Noch am gleichen Tag wurde er in Meiningen operiert. Eine stationäre Chemotherapie im Krankenhaus schloss sich an. Pörtner bekam einen zentralen Venenkatheder in die Halsarterie, drei unterschiedliche Zytostatika wurden ihm in den Körper gepumpt. So wurde der Krebs bekämpft.
"Dabei hatte ich Glück: Ich habe die ganze Prozedur gut überstanden", sagt Pörtner. Dennoch war die Chemotherapie sehr anstrengend. "Symptome wie bei einer starken Grippe stellten sich ein. Meine Beine und Arme fühlten sich schwer an, gegen die Übelkeit bekam ich glücklicherweise Medikamente", erklärt er. Allerdings war auch Pörtner vor den Nebenwirkungen nicht gefeit: "Mir fielen die Augenbrauen aus, ebenso die Haare", erinnert er sich zurück. Um die Chemikalien schnellstmöglich wieder aus dem Körper zu spülen, musste er während der Therapie vor allem viel trinken. Fünf bis zehn Liter täglich. "Da war mit Schlafen nicht mehr viel drin", so Pörtner.
Die Chemotherapie sei nicht nur körperlich, sondern auch psychisch sehr anstrengend gewesen. Und natürlich kam bei Pörtner immer wieder die Frage auf, ob vielleicht der Lebensstil die Erkrankung beeinflusst habe. "Das war aber nicht der Fall. Wie der Arzt erklärte, ist das einfach angeboren", sagt der Heustreuer.
Diagnose war ein Schock
Für seine Frau Katja war die Diagnose ein Schock. Als Krankenschwester hatte sie schon im Rahmen der Ausbildung mit Krebskranken zu tun. "Aber eigentlich habe ich alles erst sehr viel später verarbeitet. Im Moment der Krebserkrankung meines Mannes habe ich einfach nur funktioniert", gesteht sie. "Meine Frau und mein Sohn waren eine wichtige Stütze für mich. Ohne sie hätte ich alles sicherlich nicht so gut überstanden", bedankt sich Michael Pörtner.
Dabei ist Hodenkrebs bei jungen Männern im Alter von 25 bis 45 Jahren gar kein so seltenes Phänomen. "Hier kann ich nur dazu ermutigen, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. Die Heilungschancen sind sehr gut, wenn der Krebs frühzeitig erkannt wird", betont Pörtner.
Nach überstandener Krankheit ging das Leben weiter. Regelmäßig muss er allerdings noch zur Nachkontrolle in den Computertomographen, halbjährlich zur Blutkontrolle und zum Ultraschall. "An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei meiner Frau Katja und meinem Sonnenschein Hannes bedanken, die mir in der Krankheitsphase immer sehr viel Kraft gegeben haben", so Pörtner.
Ein neues Leben beginnt
Doch die Krebserkrankung hatte auch ihre "positiven" Seiten. So hat Michael Pörtner das Rauchen aufgegeben. Außerdem war er vor der Erkrankung kaum sportlich aktiv. Mittlerweile ist das ganz anders. "2018 hat mich mein Arbeitgeber, die Firma Kunert-Wellpappe, beim Sparkassenlauf angemeldet. Von da an habe ich mit dem Lauftraining begonnen", sagt Pörtner. Dass aller Anfang schwer ist, musste er am eigenen Leib erfahren. "Anfangs waren Distanzen über drei oder vier Kilometer nicht möglich, durch kontinuierliches Training habe ich das aber gesteigert." Im April 2018 begann er mit dem Training, im Juli legte er dann beim Sparkassenlauf die Distanz von 5,2 Kilometern zurück. Mittlerweile nahm er auch schon an vier Rhön-Grabfeld-Läufen teil, jeder rund zehn Kilometer lang.
Für diesen Sonntag hat er sich etwas ganz Besonderes vorgenommen. Beim "iWelt Marathon" in Würzburg will er die Strecke von 21,1 Kilometern zurücklegen. Dabei hat er sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: "Ich will die Strecke in 1 Stunde und 45 Minuten schaffen", sagt er. Diszipliniert trainiert er drei bis vier Mal in der Woche, zwischen zehn und 15 Kilometer legt er je Einheit zurück. Und er fährt mittlerweile auch Rennrad.
Alles hat sich zum Guten gewendet
Die Krebserkrankung hat das Leben von Michael Pörtner nachhaltig verändert. Heute sieht er vieles gelassener, worüber er sich noch zuvor aufgeregt hätte. "Man hat einfach mehr Freude am Leben und schätzt auch die kleinen Dinge", sagt er. Und noch eines hat er gelernt: Gesundheit sehen viele als selbstverständlich an, das ist sie jedoch nicht. Auch ein neues Ziel hat er sich schon gesetzt: beim Marathon in Frankfurt im Oktober will er die komplette Distanz von 42,2 Kilometern zurücklegen. Dabei lautet sein Motto: "Immer positiv denken und niemals aufgeben."