Selbst auf höchster Ebene wurde in dieser Woche über die Zukunft von Bosch Solar verhandelt. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und ihr Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) trafen sich am Dienstag mit Spitzenmanagern von Bosch. Der Technologiekonzern hat angekündigt, seine Solarsparte nach Milliardenverlusten zu verkaufen oder zu schließen. Rund 3000 Arbeitsplätze sind in Gefahr, davon allein 1800 in Arnstadt.
In der 25 000-Einwohner-Stadt, 20 Autominuten von Erfurt entfernt, werden nicht nur Solarmodule in einem hochmodernen Werk hergestellt. Hier befindet sich die Zentrale von Boschs Solarsparte sowie ein Forschungs- und Ausbildungszentrum. Zur Grundsteinlegung kam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), im Sommer 2010 wurde die Fabrik erst eingeweiht. Ein Aus wäre ein schwerer Rückschlag für Thüringen, das sich das Ziel gesetzt hat, wirtschaftlich zu den westdeutschen Bundesländern aufzuschließen.
Ganze Familien in der Region blicken jetzt mit Bangen in die Zukunft. Manche haben andere Jobs aufgegeben, um bei Bosch zu arbeiten. Sie hofften, bei einem so bekannten Arbeitgeber bis zur Rente beschäftigt zu sein. Umso größer ist die Wut, wie sich Anfang April bei einer Kundgebung vor dem Werktor und einem Protestmarsch Hunderter Beschäftigter durch Arnstadt zeigte.
„Wir haben uns die Ärsche aufgerissen und Bosch will sich einfach verpissen“, stand auf einem ihrer Plakate. Auf einem anderen war zu lesen: „Wenn Robert Bosch das wüsste, springt er aus der Kiste.“ Wegen der Werte seines Gründers gilt Bosch bis heute als soziales Unternehmen. Genau daran appellieren nun die Beschäftigten und die Thüringer Landesregierung.
Nach dem Spitzentreffen am Dienstag zeigte sich Wirtschaftsminister Machnig immerhin „gebremst optimistisch“. Zwar will Bosch den Ausstieg aus der Solarbranche durchziehen. Allerdings soll es Alternativen für den Standort Arnstadt geben. „Ich habe den sicheren Eindruck gewonnen, dass Bosch ernsthaft an einer Lösung arbeitet“, so Matthias Machnig. Die Thüringer Regierung verlangt den Erhalt der Arbeitsplätze.
Eine Möglichkeit ist der Verkauf des Standorts oder zumindest von Teilen an einen Investor aus der Branche. Laut Machnig gibt es eine „Vielzahl von Interessenten unterschiedlicher Qualität“. Dazu gehört das Bonner Unternehmen Solarworld. Als zweite Möglichkeit kommt eine Ersatzproduktion aus einem anderen Bosch-Geschäftsbereich in Betracht. Laut Machnig haben ihm die Manager zugesichert: „Wir wollen weiter gerne das Schild Bosch in Arnstadt sehen.“
Vorerst ist das alles vage. Gerade der Einstieg eines Investors dürfte viele Fragen aufwerfen, da die Solarbranche weltweit unter Überkapazitäten leidet. Vor allem der Preiskampf mit chinesischen Konkurrenten hat die einstige Boombranche in Deutschland ruiniert. Reihenweise drosseln Hersteller von Solarmodulen die Produktion, werden von Konkurrenten übernommen oder gehen Pleite. Peter Frey von der Thüringer Branchenvereinigung Solarinput sagt: „Der Produktionsstandort Deutschland und Europa ist hochgradig gefährdet.“
In Thüringen waren vor einigen Jahren noch rund 5000 Menschen bei Solarfirmen beschäftigt, man träumte von einer Verdopplung. Inzwischen hat sich die Zahl nach Schätzung des Wirtschaftsministeriums auf 3000 verringert. Käme das Aus für Bosch Solar in Arnstadt, wäre das einer der größten Arbeitsplatzverluste im Freistaat seit der Wiedervereinigung.
Und der wäre doppelt bitter: Denn bei Solar war Ostdeutschland nicht die verlängerte Werkbank eines westdeutschen Unternehmens, wie das oft der Fall ist, sondern führend. In Mitteldeutschland gebe es das „größte Solarcluster der Welt“, sagt Thüringens Wirtschaftsminister Machnig. Für ihn steht daher fest: „Es geht nicht nur um Arnstadt. Es geht darum, ob es in zwei Jahren noch deutsche Solar-Produzenten gibt.“
Bosch Solar Energy
Der Technologiekonzern Bosch will seine erst vor vier Jahren gebildete Solarsparte wieder aufgeben, auch das Unternehmen leidet unter der Krise in der deutschen Solarindustrie. Die wichtigsten Fakten: Die Zentrale mit der Entwicklungsabteilung liegt im thüringischen Arnstadt, weitere Werke werden in Brandenburg sowie in Frankreich unterhalten. Insgesamt beschäftigt Bosch Solar 3000 Mitarbeiter, 1800 davon in Arnstadt. Verluste in den vergangenen Jahren: rund 2,4 Milliarden Euro. Die Werke sollen bis Anfang 2014 verkauft oder geschlossen werden.