
"Ein einmaliges Experiment! Wie seit ihr denn darauf gekommen?" Christiane Müller antwortete in der Einführung zum Hörspiel "Draußen vor der Tür" von Wolfgang Borchert: "Am Anfang war ein Artikel in der Saalepost: "Das Hörspiel wird 100", und die Frage ob im abgedunkelten Sofasalon dieses Gefühl des gemeinsamen Radiohörens…und welches Stück?
Borcherts Drama, aus 1947 ist wohl das wirkmächtigste Hörspiel in deutscher Sprache. Und die Aufführungsrechte, die technische Durchführung? Beide Fragen konnte das Besengaunetzwerk in Person von Christian Lochner auf dem kleinen Dienstweg klären." So kam an diesem denkwürdigen Abend die Fangemeinde des Sofasalons, erweitert um einige neue Gesichter, die der Name Borchert angezogen hatte, in die Propstei.
Viele Gäste nutzen die Möglichkeit zum gemeinsamen Eintopfessen, um danach durch die kerzenerleuchtete Propstei in den Salon zu kommen. Die zugewandte und offene Stimmung beruhigte die Gastgeber und nach einer Einführung über die Geschichte des Hörspiels von Orson Welles "Krieg der Welten" bis zu Bibi Blocksberg ging's los.
Eine Männerstimme aus der Vergangenheit spricht: "Radio München bringt: 'Draußen vor der Tür' von Wolfgang Borchert", verwandelt die Menschen im Salon. Wie in einem 102 Minuten langen Traum tauchen sie ein in die Welt des Kriegsheimkehrers Beckmann. Verstärkt durch die vorherigen Hinweise zum Leben des Autors, der mit 26 Jahren kurz vor der Uraufführung des Stückes starb und den durchschlagenden Erfolg nicht mehr erlebte, versanken die Gäste in Sofas und Sesseln, und hörten gebannt dem Schauspiel zu.
Das Erwachen als die Lichter wieder angingen, war zögerlich. Mancher blieb lange sitzen und die Gespräche mit den Zufallsnachbarn im Nachbarsessel drehten sich unwillkürlich um den in Stalingrad vermissten Opa, Afghanistanveteranen und Frieden für die Ukraine. Eine Dame betonte: Es gibt keine Stunde Null, auch Russen und Ukrainer werden ihre Verletzungen an Körper und Seele ein Leben lang mit herumschleppen." Über die literarische Bedeutung von Borcherts Stück meinte ein Herr: "Es steht gleichberechtigt neben Goethes Werther." Nach so viel Lob war Konsens: Das Hörspiel-Experiment wird nicht einmalig bleiben.
Von: Klaus Dippel (Gesellschafter, Propstei Wechterswinkel)