
Was Gerald Roßhirt im „Nebenamt“ verantwortet, machen andere als Haupttätigkeit: Als Vorstand des Kommunalunternehmens, das sich als Dienstleister für den Landkreis Rhön-Grabfeld unter anderem um die Abfallentsorgung und -verwertung kümmert, führt der 58-Jährige 83 Mitarbeiter, „quasi ein mittelständisches Unternehmen.“ Nebenbei noch, also eigentlich in Hauptaufgabe, leitet der Hohenröther im Landratsamt die Hauptverwaltung mit 24 Mitarbeitern.
Es begann alles mit der Hauptverwaltung. „Das war 1989 mein Einstiegsbereich.“ Nach seiner Ausbildung am Finanzamt und dem Studium an der Berufsfachschule Herrsching hatte der Diplom-Finanzwirt an vier Finanzämtern in Unterfranken gearbeitet, bevor er sich zum Wechsel ins Landratsamt entschloss. „Etwas Neues“ wollte er wagen. Zugleich habe er die „Entwicklungsmöglichkeiten gesehen“.
In der Hauptverwaltung ist der verheiratete zweifache Vater zuständig für Hausmeister und Putzfrauen, die Vermittlung und Registratur sowie für den Fuhrpark mit 17 Fahrzeugen, darunter mittlerweile sechs Elektro-Autos. Auch der EDV-Bereich – die in den vergangenen Jahrzehnten am größten gewachsene Abteilung – mit eigenem Support für die rund 250 Landratsamtsmitarbeiter ist ihm unterstellt. Tausende von Kabeln, Hunderte Rechner, Telefone und Rechenmaschinen müssen von den EDV-lern betreut und alle zwei Jahre geprüft werden.
Mitte 1993 übernahm Rosshirt zusätzlich den Bereich Abfallwirtschaft. „Das Gebiet wollte damals keiner.“ Denn es war klar, dort stehen Umstrukturierungen an. Zudem ist es eine Abteilung mit „ständigem Bürgerkontakt“. „Wir haben die meisten Zugriffe auf der Homepage.“ Die Müllabfuhr betreffe den Bürger eben nicht nur einmal jährlich. 18 000 bis 20 000 Bürgeranrufe im Jahr gehen im Wertstoffzentrum ein.
Rosshirt, der aus seiner Zeit in den verschiedenen Finanzämtern Wechsel gewohnt war, freute sich auf die Herausforderung. Und dachte übrigens nicht daran, sein angestammtes Arbeitsfeld, die Hauptverwaltung abzugeben. „Ich trau' mir beide Bereiche zu“, erklärte er dem damaligen Landrat Fritz Steigerwald. Fast 25 Jahre ist das nun her. Komplett ausgelastet war er damit wohl immer noch nicht: Im Januar 2016 wurde er darüber hinaus zum Geschäftsleiter des Zweckverbands zur Boden- und Bauschuttentsorgung Rhön-Grabfeld/Münnerstadt bestellt.
„Er weiß, worauf es ankommt“, diese Einschätzung zieht sich durch Roßhirts Bewertungen von Anfang an. Was Vorgesetzte außerdem schon früh an ihm schätzten: „Er kann unternehmerisch denken.“ Die Hauptfrage, die sich Roßhirt bei allen Neuerungen und Herausforderungen immer wieder stellt: „Wie kriege ich das vernünftig hin? Rechtlich, wirtschaftlich und dass es in der Praxis funktioniert.“ Ein starres System, das ist ihm bewusst, sei zum Scheitern verurteilt: „Man muss täglich die Rädlich nachstellen.“
Das wirtschaftliche Denken wurde Roßhirt bereits in die Wiege gelegt. Schon in frühester Kindheit half er der Mutter und den Geschwistern im Dorfladen der Eltern in Hohenroth. Als er in die erste Klasse kam, konnte er bereits kassieren. Im Alter von 15 Jahren, wenn andere ihre Ausbildung beginnen, hatte er quasi schon eine kleine Kaufmannslehre in der Tasche.
Die Gründung eines Kommunalunternehmens als Dienstleister des Landkreises im Bereich Abfallwirtschaft 2006 war denn in seinen Augen auch der einzig richtige Weg. Geschaffen werden sollte ein „wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen“. Als Alleinvorstand desselben muss Roßhirt oft schnell und flexibel reagieren und auch auf kurzem Dienstweg Entscheidungen treffen. Innerhalb der Verwaltungsstrukturen wäre das in seinen Augen kaum möglich. Die Betriebsform des „Kommunalunternehmens“ gewährleiste darüber hinaus aber, dass die Daseinsvorsorge weiterhin in öffentlicher Hand bleibt.
Als Dienstleister für den Landkreis kümmert sich das Kommunalunternehmen mit seinen 83 Mitarbeitern und 35 Fahrzeugen nicht nur um Abfallentsorgung und -verwertung. Zuständig ist es auch für den Bereich Fleischbeschau sowie für den Betrieb des Parkplatzes Kreuzberg, der derzeit neu überplant wird, und des Gebrauchtwaren-Kaufhauses in Unsleben. Darüber hinaus wickelt es Schulbegleitungen fürs Jugendamt ab und betätigt sich in der Hausverwaltung der dezentralen Unterkünfte.
Erste Maßnahme nach Gründung des Kommunalunternehmens: „Wir haben uns die Gewerbeabfälle zurückgeholt.“ Seit Übernahme der Sperrmüllabfuhr durch das Kommunalunternehmen erfolge die Durchführung wesentlich effizienter, kostengünstiger und kundenfreundlicher. „Drittfirmen hatten nicht die Wertschöpfung im Blick, die haben einfach gesammelt.“
Beim Kommunalunternehmen sei das anders: „Mindestens die Hälfte des Sperrmülls geht mittlerweile nicht mehr zu Verbrennung.“ Gebrauchsfähige, gut erhaltene Gegenstände wandern ins Gebrauchtwaren-Kaufhaus, Metalle und Elektronikschrott werden recycelt.
„Je mehr wir produzieren, desto komplexer wird die Entsorgung.“ Auffällig sei das vor allem bei den Elektrogeräten, wo es mittlerweile nicht mehr nur drei, sondern acht Produkt-Paletten-Sparten gibt. Das Sperrmüll-Aufkommen sei in den vergangenen drei Jahren immer weiter angestiegen. Einrichtungsgegenstände würden häufiger als früher ausgetauscht, der Fernseher habe oft eine kürzere Lebensdauer. Letztlich könnte Roßhirt vom Abfall aus so einiges über die Gesellschaft erzählen.
Doch zurück zur Entsorgung: Fürs bessere Sortieren war letztlich mehr Platz vonnöten. Deshalb wurde, wurde in Brendlorenzen 2010 das Wertstoffzentrum eingerichtet. 2014 übernahm das Kommunalunternehmen die Haus-, Biomüll und Containerabfuhr. Auslöser waren Preisnachverhandlungen mit der Drittfirma. „Die Steigerung wollten wir nicht mitgehen.“ Dass der Kreis damit wieder „direkte Einflussmöglichkeiten“ hat, war ein schöner Nebeneffekt.
Wenn ab Januar 2018 auch die Gelben Säcke – bei der letzten Ausschreibung hat das Kommunalunternehmen den Zuschlag bekommen – vom Dienstleister des Landkreises abgeholt werden, hat das Kommunalunternehmen die Abfallhoheit in fast allen Bereichen im Landkreis. Nur um die Leerung der blauen Papiertonne kümmert sich die Firma Stäblein, die ebenfalls im Landkreis sitzt, nämlich in Schönau.
Damit ist die Tendenz zur Privatisierung, wie sie für die 70er Jahre typisch wurde, quasi umgekehrt. Für Rosshirt eine logische Entwicklung. „In den 70ern wurde der öffentliche Dienst vergütungsmäßig angepasst.“ Die Folge von mitunter sieben oder acht Prozent jährlicher Lohnanpassung war die Privatisierung. Das Streben nach Gewinnmaximierung in vielen Unternehmen in den vergangenen Jahren habe nun eine Gegenbewegung ausgelöst. „Im Kommunalunternehmen muss ich auch meine Kosten decken, aber ich muss nicht 30 Prozent Gewinn erwirtschaften, die im Unternehmen nach oben verschoben werden.“
Qualitativ habe der Landkreis von der Entwicklung auf jeden Fall profitiert. Gerade weil sein Arbeitsfeld so publikumswirksam sei, müsse „es klappen“. Seine Leute seien vor Ort, träfen täglich auch im Privaten auf ihre Kunden. „Wir können und wollen uns nicht wegducken.“