Das ist einzigartig in ganz Bayern: Die BayWa AG betreibt in Mellrichstadt die konzernweit erste und einzige Dinkelspelzen-Pelletieranlage – höchst erfolgreich, wie Betriebsleiter Martin Junius am Dienstag stolz vorführte. Bei einem Rundgang präsentierte er die Anlage, die seit Oktober 2017 läuft und den Betrieb in der Bahnhofstraße zusammen mit der Dinkelverarbeitung zukunftssicher aufstellt.
Die BayWa setzt auf den Standort Mellrichstadt, das wurde beim Pressetermin deutlich, zu dem eigens eine Entourage aus München angereist war. 1,5 Millionen Euro wurden in sieben Monaten Bauzeit in eine Dinkelpellets-Presse, eine Verlade- und Entladehalle sowie zwei Pellet-Silos plus Fördertechnik investiert, untergebracht im hinteren Bereich des Betriebsgeländes. „Mit der neuen Anlage machen wir aus einem Abfallprodukt einen wertvollen Rohstoff für Tierfutter und Stallhygiene“, zeigte Reinhard Stierkorb, Spartengeschäftsführer Agrar in Unterfranken/Thüringen, auf.
Goldrichtige Ausrichtung
Seit elf Jahren setzt die BayWa in Unterfranken verstärkt auf den Spezialitätenhandel mit Dinkel aus der Region. Das Team in Mellrichstadt hat hier mit viel Engagement ein Monopol geschaffen, das die Arbeitsplätze vor Ort auf lange Sicht sichert, so Stierkorb. Mit dem Fokus auf Dinkel lag man in Mellrichstadt goldrichtig: Schon Hildegard von Bingen setzte vor 1000 Jahren auf den engen Verwandten des Weizens, den sie als bestes Korn bezeichnete. Und der Markt wächst.
2007 wurde erstmals Dinkel im Spelz in der Bahnhofstraße 20 angeliefert und verarbeitet, es war der Start für die Umwandlung des Agrarstandorts Mellrichstadt in einen Spezialbetrieb. Jahr für Jahr wurde der Betrieb dann kontinuierlich ausgebaut, Schäler um Schäler wurde angeschafft, um sprichwörtlich die Spreu vom Weizen – konkret den Spelz vom Dinkel – zu trennen. 2010 wurden bereits 3500 Tonnen Dinkel in Mellrichstadt verarbeitet.
Großbrand im Silo
Am 28. November 2011 kam der Rückschlag – ein Großbrand zerstörte die Schüttböden im Silo, der Schaden war immens. Doch die Mellrichstädter wussten sich zu helfen: Nur einen Monat später lief die Dinkelschälanlage, versetzt ins Heuringlager, wieder. Beim Umzug 2013 in die generalsanierte Siloanlage wurde der Betrieb gleich noch von drei auf vier Schäleinheiten vergrößert und zugleich eine Staubfilteranlage eingebaut.
Und weiter ging's mit der Expansion in Sachen Dinkel in Mellrichstadt. 2014 wurde ein neues Spelzenlager gebaut. Mitte 2015 schloss das Unternehmen den Baustoffhandel in Mellrichstadt, seither müssen die Kunden nach Bad Neustadt fahren. Denn der Platz wurde für den Dinkel-Spezialvertrieb gebraucht. 2017 wurde der sechste Schäler und in diesem Jahr der siebte angeschafft. 26 000 Tonnen Dinkel werden laut Prognose in diesem Jahr im Betrieb erfasst. Das Geschäft boomt.
Entsorgung überdenken
Die immer größeren Mengen an Dinkel, die verarbeitet werden, warfen allerdings auch ein Problem auf: Wohin mit den Spelzen, die als Abfallprodukt in großem Umfang anfallen und gelagert werden müssen? Auf einfache Art entsorgen war nicht drin, da die Spelzen dazu noch schlecht verrotten. „Wir mussten die Entsorgung überdenken“, blickt Betriebsleiter Martin Junius zurück.
Doch die Mellrichstädter sind innovativ: Die Idee, die Spelzen zu pelletieren, löste nicht nur das Platzproblem, sondern ist auch noch nachhaltig. „Wir können nun den bisher ungenutzten Rohstoff in den Kreislauf zurückführen“, so Junius. Pro Stunde presst die Pelletieranlage bis zu 3,5 Tonnen Spelzenpellets, die Jahresleistung liegt bei 7500 Tonnen. Eine Menge Material, das da vom Hof kommt und als Rohfaserträger in Rinderfutter oder als Einstreu in Rinder-, Schweine-, Geflügel- und Pferdeställen eingesetzt wird.
Wirtschaftlich und gut für die Umwelt
Abnehmer der Pellets sind Tierhalter in der Region sowie Kraftfutterwerke in Deutschland und im europäischen Ausland. „Da die Pellets ein höheres Schüttgewicht als die losen Spelzen haben, können wir pro Lkw mehr Ware laden. Somit konnten wir auch das Transportaufkommen um bis zu 50 Prozent senken“, informiert der Betriebsleiter. Das ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gut für die Umwelt.
Die neue Anlage ist auch ein Segen für die Anwohner, die früher gut eingestaubt wurden. Auch auf dem BayWa-Betriebsgelände „ist der Dreck vom Hof“, seit Pellets und nicht mehr die leicht davonfliegenden Spelzen verladen werden. Wie Martin Junius weiß, sind auch die Kunden zufrieden, die zuvor die Spelzen als Stall-Einstreu verwendet haben und nun die Pellets einsetzen. „Die Pellet-Einstreu ergibt nach kurzer Zeit eine Matte, die sehr saugfähig ist und in einem Hühnerstall etwa sechs bis acht Wochen liegen kann.“ Die Pellets werden lose auf Lastwagen an die Kunden geliefert, es gibt aber auch 800-Kilo-Säcke oder 20-Kilo-Säcke, je nach Bedarf. Laut Junius werden Dinkel-Pellets als Einstreu auch für immer mehr Pferdehalter interessant.
Gutes Futtermittel
Die Futtermittelindustrie kann die Pellets gut in Rinderfutter verarbeiten, auch hier steigt die Nachfrage. Da beim Pressen der Spelzen Temperaturen von bis zu 70 Grad Celsius herrschen, werden Pilze und Keime eliminiert. So lassen sich die Pellets als Rohfaserträger gut ins Futtermittel integrieren.
Für die BayWa in Mellrichstadt ist der Ausbau zum Spezialstandort also voll aufgegangen. Und das Dinkel-Geschäft wird voraussichtlich weiter wachsen. Jetzt aber liegt der Fokus erst einmal auf Mitte/Ende Juli – wenn die Ernte losgeht, wird absoluter Hochbetrieb in der Bahnhofstraße 20 herrschen.
Dinkel gewinnt an Bedeutung
Mit jeweils mehr als 1000 Hektar Anbaufläche zählen der Landkreis Rhön-Grabfeld sowie die Landkreise nördlich und südlich von Würzburg zu den bayerischen Hochburgen für Dinkel. In Unterfranken lag die Anbaufläche laut BayWa im vergangenen Jahr bei über 9000 Hektar.
Mehr als die Hälfte der Rohware, die in Mellrichstadt erfasst wird, stammt aus der Region. Der Rest sind Zukäufe aus anderen deutschen Anbaugebieten und angrenzenden Ländern wie Belgien, die Niederlande, Frankreich, Tschechien und Polen.
Hauptabnehmer der Dinkelkerne sind Mühlen in ganz Deutschland. Größere Mengen werden von Mellrichstadt aus auch nach Norwegen, Österreich, Italien und in die Schweiz exportiert. Bis zu 80 Tonnen pro Jahr werden auch mit Seecontainern nach Japan verschifft, so Martin Junius, Betriebsleiter der BayWa in Mellrichstadt.
Dinkel wird in ganz Deutschland auf rund 90 000 Hektar Fläche angebaut. Das Urgetreide ist ein naher Verwandter des Weizens und gilt aufgrund seiner Inhaltsstoffe als gesund und bekömmlich. Zwar ist Dinkel etwas weniger ertragreich als Brotweizen, gilt dafür aber als robuster im Anbau und benötigt weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel.