"Ich würde es wieder machen", blickt Dieter Schwenkert auf einen Job zurück, um den er nicht zu beneiden war, aber den er hervorragend und mit großem Engagement ausfüllte: Als Suchtberater bei der Caritas half er vielen Menschen in existenziellen Nöten, die Weichen in eine bessere Zukunft zu stellen. Von dieser Aufgabe verabschiedet er sich am 31. Juli und geht in einen Ruhestand, für den er schon viele Ideen hat.
Arbeit gerne gemacht
Seine Arbeit hat er gerne gemacht, auch wenn sich das mancher vielleicht nicht vorstellen kann. Denn das Elend, mit dem er durch den Umgang mit Alkohol-, Drogen-, Medikamentenabhängigen und Spielsüchtigen konfrontiert wurde, lässt sich für einen Außenstehenden nicht leicht ertragen. Aber Schwenkert brachte zwei wesentliche Grundvoraussetzungen mit, um dabei nicht selber "unterzugehen".
Sozialfreak
Zunächst einmal bezeichnet er sich selbst als echten "Sozialfreak". Damit nahm er schon in seiner eigenen Familie eine Sonderstellung ein, denn hier herrschte ein Denken vor, dem materielle Güter und gesellschaftliche Anerkennung wichtig waren. Dieter Schwenkert hingegen setzte andere Prioritäten: Ihm ging es darum, aus dem "Dorftrottel", zu dem der Alkohol einen Mitbürger gemacht hatte, wieder einen Menschen werden zu lassen, der nicht mehr auffällt. "Und jeder, der es geschafft hat, beweist: Es geht." Immer wieder neu durfte Schwenkert diese Erfahrung machen und daraus Motivation und Kraft schöpfen, gemeinsam mit den anderen weiter gegen die Sucht zu kämpfen.
Als sich Dieter Schwenkert 1979 nach dem Studium der Sozialpädagogik in Würzburg und anschließender Bundeswehrzeit darum bewarb, beim Caritasverband Rhön-Grabfeld die Suchtberatung aufzubauen, kannte er noch nicht viel vom Gesicht der Sucht. So lernte er an seinem ersten Arbeitstag den ersten Drogenabhängigen kennen. Um nachempfinden und verstehen zu können, in welcher Haut sich ein Alkoholiker oder Drogensüchtiger befindet, ging er zu den Treffen der Kreuzbund-Selbsthilfegruppen. Diesen Einblick brauchte er umso mehr als er selber keinen Alkohol trank - er mochte ihn nicht.
Fähigkeit abzuschalten
Zum Suchtberater prädestiniert war Schwenkert zudem durch seine Fähigkeit abzuschalten. Alles, was ihm tagsüber an Abgründen begegnete, blieb für ihn in seinem Büro. Den Übergang in ein unbelastetes Privatleben schufen einige Kilometer im Dauerlauf. Nicht mehr "wegjoggen" konnte er es allerdings, als in den Neunzigern in einem Jahr elf seiner drogenabhängigen Klienten starben.
Trotz allem vermag Schwenkert eine positive Bilanz zu ziehen. Es gelang ihm, die Öffentlichkeit mit Präventionsarbeit stärker zu sensibilisieren und die Pfarrgemeinden einzubeziehen. So war es möglich, dass der Kreuzbund (Selbsthilfegruppe für Suchtkranke) in Ostheimer Gemeinderäumen eine Heimat fand.
6000 bis 7000 Suchtkranke
Im Laufe seiner Tätigkeit hatte Schwenkert mit sechs- bis siebentausend Suchtkranken zu tun, schätzt Schwenkert. Wie viele es tatsächlich "gepackt" haben, ohne ihr Suchtmittel auszukommen, lässt sich nicht genau feststellen, aber bei den Alkoholikern waren es mehr als 50 Prozent, weiß der engagierte Berater. Freuen kann er sich darüber, dass ein ehemaliger Klient heute als alter Herr von sich sagen kann: "Ich bin glücklich", und eine alte Dame, zu der der Kontakt in 25 Jahren nicht abgerissen ist, ihren Dank für die damalige Hilfestellung zum Ausdruck bringt, indem sie sagt: "Ich bete für Sie".
Enormer Erfahrungsschatz
"Viel Glück habe ich mit meinem Arbeitgeber gehabt", lobt Schwenkert die Kollegen des Caritasverbands Rhön-Grabfeld mit Angelika Ochs an der Spitze, die ihm in schwierigen Zeiten Rückhalt waren. Bis vor zwei Jahren leitete der heute 65-Jährige die Psychosoziale Beratungsstelle für Alkohol-, Medikamenten- und Drogenprobleme, dann ging die Hauptverantwortung auf Susanne Till über. Sie wird ab 1. August nicht mehr zurückgreifen können auf den enormen Erfahrungsschatz, den sich ihr Mitstreiter Dieter Schwenkert in 39 Jahren und zehn Monaten erworben hat.