Songs am Computer abmischen, mp3-Dateien verschicken, zwischendurch Aufnahmetermine am Smartphone abklären – die Welt der Musik ist heute nahezu komplett digital. Die Vorteile, die die rasante technische Entwicklung in Musikstudios mit sich bringt, sind immens, sagt Produzent Markus Stock. Doch für ihn gibt es auch einen Wermutstropfen: „Wenn immer mehr Technik im Spiel ist, bleibt die kreative Energie, die zwischen Menschen entsteht, bisweilen auf der Strecke.“
Segen und Fluch zugleich
Markus Stock hat die digitale Revolution in der Musikbranche von frühester Jugend an miterlebt und sieht in der Entwicklung Segen und Fluch zugleich. „Sowohl das Arbeiten im Tonstudio wie auch die Kommunikation mit den Gruppen hat sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren komplett verändert“, weiß der 38-Jährige.
Bands aus aller Herren Länder nehmen in seiner Klangschmiede Studio E in Mellrichstadt Alben auf, in den Räumen in der ehemaligen Standortverwaltung geht nichts ohne modernste Technik. Im Gegensatz zu früher wäre es heute möglich, ein Album komplett am Computer fertigzustellen, ohne dass die Band überhaupt ins Studio im Streutal kommen muss. Solche Arrangements liegen dem gebürtigen Hendunger aber nicht: Bevor eine CD fertiggestellt wird, ist Markus Stock eine persönliche Zusammenarbeit mit den Musikern wichtig, um den Songs den letzten Schliff zu geben.
Musik bestimmt seit frühester Jugend sein Leben. 1993 hat Stock seine erste Band gegründet, 1997 das Tonstudio installiert. „Zu der Zeit haben wir mit einem analogen Mischpult und einer Bandmaschine die Songs aufgenommen“, blickt er zurück. Die Bands mussten damals deutlich besser vorbereitet sein als heute, wenn sie ins Studio kamen. „Früher wurde ein Song auf der Gitarre in einem Stück durchgespielt, Schneiden war extrem aufwendig. Heute kann man, wenn ein Part nicht ganz stimmig ist, problemlos Passagen herausnehmen und neu einfügen.“
Positiv: der Total Recall
War der Mix früher fertig abgemischt, war den Musikern klar: Hier ist Schluss, die Entscheidung ist getroffen. Der Vorteil der Technik: Heute kann man ein Lied noch bis kurz vor der Pressung der CD verändern. Und doch hatte auch das Arbeiten von früher seinen Reiz, findet der Produzent. „Manchmal hatte ein Song eben einen kleinen Fehler, das hat oft auch den Charme einer Aufnahme ausgemacht.“ Was früher nur mit viel Aufwand und Kosten auszubügeln war, ist heute problemlos möglich.
Und noch einen Riesenvorteil bietet das Digitale: den Total Recall, wie es der Produzent nennt. Wird nach zwei Jahren beispielsweise ein Remix des Albums aufgelegt, lassen sich die Aufnahmen am Computer öffnen und neu bearbeiten. Das wäre analog nur extrem aufwendig möglich. Dennoch nutzt der 38-Jährige, der in Mühlbach lebt, auch noch analoge Technik – „einfach des Klanges wegen“. Doch auch hier verschieben sich langsam die Gewichte: „Vor fünf Jahren war die Klangqualität der analogen Aufnahmen den digitalen weit überlegen. Heute sind sie fast gleich.“
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.
Heute wird da jede Menge Material auf der Datenautobahn hin- und hergeschickt
Und der fällt insbesondere auf die Kommunikation zwischen Bands und Produzent, so der 38-Jährige. Vor zehn Jahren haben Bands das Studio gebucht und waren vor Ort, bis das Album eingespielt war. Heute kommen die Gruppen, spielen die Songs ein, die Abmischung macht der Produzent allein. Das File, sprich die Audiodatei, schickt er dann an die Bands und wartet auf Rückmeldung. Will die Band eine Veränderung, folgt der gleiche Prozess noch einmal. „Beim unmittelbaren Kontakt ging das besser – da hat man einfach mal ausprobiert, wie es sich anhört, wenn der Bass lauter wird. Heute wird da jede Menge Material auf der Datenautobahn hin- und hergeschickt.“
Eine weitere Entwicklung, die die Technik erst möglich gemacht hat: Bands nehmen heute ein Album in verschiedenen Studios, manche auch in verschiedenen Ländern, auf und schicken dann die einzelnen Spuren als Wave-Files an Markus Stock.
Die kreative Energie zwischen Menschen bleibt im Netzwerkkabel stecken
Der Musikproduzent mischt sie dann in Mellrichstadt zusammen. Die einzelnen Musiker müssen gar nicht mehr zusammen spielen. Und darin sieht Markus Stock einen entscheidenden Nachteil zu früheren Aufnahmen: „Die kreative Energie zwischen Menschen, die beim Musikmachen so inspirierend ist, bleibt im Netzwerkkabel stecken.“
Auf der anderen Seite: Im Dezember hat der Mühlbacher für eine Band aus den USA gearbeitet – „das wäre ohne die digitale Technik nicht möglich gewesen.“ Die Musiker hatten ihre Songs in zwei Studios in Amerika aufgenommen und als Spuren nach Mellrichstadt geschickt, wo Markus Stock die Aufnahmen zusammengemischt hat. Der Chef der Band kam dann zum Abschluss für drei Tage ins Studio an der Streu, um mit ihm an den Feinheiten zu arbeiten. Diese Arbeitsweise ist Markus Stock am liebsten. „Das vereint das Beste aus beiden Welten, ist digital und persönlich.“
Der zweifache Familienvater sieht die Entwicklung im Studiobereich derzeit wieder mehr zum Analogen hingehen. „Musiker wollen nicht allein im stillen Kämmerlein vor sich hinarbeiten, sondern wieder mehr zusammen spielen“, summiert er die Tendenz. „Sonst geht die Magie verloren. Allein fehlt einfach das gegenseitige Inspirieren in der Gemeinschaft.“