
Nach der Vorstellung jagen keine Schweinehälften durch einen nächtlichen Albtraum. Der Schreiber hat sich auch keinen Born-Senf, Frantz-Eierlikör, Nordhäuser Korn oder Viba-Nougat eintüten lassen. Zur Uraufführung der musikalischen Revue "Thüringer Spezialitäten" gingen im Vestibül des Meininger Staatstheaters regionale Genussmittel über die Theke.
Trotzdem ist das Spektakel von Frank Behnke und der Arrangeurin und musikalischen Leiterin Bettina Ostermeier unterhaltsam. Unterhaltsam, mit einem leichten Schauder, der einem über den Rücken läuft, wenn man sich zwei Stunden lang in einem weiß gekachelten Schlachthaus herumtreibt (Bühne: Christian Rinke, Kostüme: Michael Lindner) - einer "Mörderhöhle", wie Regisseur Behnke gesteht, "auch wenn es nur Schweinen an den Kragen geht.
Aber wer weiß. Also, Wurstvorhang, ja: tatsächlich Wurstvorhang auf! Die Revue ist unterhaltsam, selbst wenn sich die Klischees auf Würste und Klöße konzentrieren und andere Spezialitäten des Bergvölkchens in der Mitte Deutschlands, wie etwa die auffällige Neigung heimischer Spezis zum rechten Extremen so gut wie nicht zum Klingen gebracht werden. Es sei denn, man begreift das Spiel mit herumhängenden Schweinehälften, blutverschmierten Metzgermessern und Schürzen als hintergründige Bedrohung.

Gut aufgestelltes Spezialitäten-Team
Wie aber kriegen die Macher die Kurve zum Wahren, Guten und Schönen? Zum Land der Klassik, zum Land der kulturellen Vielfalt, zum Land der Weltoffenheit, wo der Kloß nicht nur mit der Bratwurst tanzt? Wie wird auf der Bühne zusammengehalten, was in der Wirklichkeit auseinanderdriftet? - Durch die Musik. Oder besser gesagt: Durch die Vielfalt der Musik und durch Witz und Lebendigkeit, mit der die Pop- und Rocksongs samt Folklore dem nicht nur altersmäßig diversen Publikum dargeboten werden. Musikrevuen erfreuen sich ja großer Beliebtheit.
Man denke nur den Riesenerfolg der "Liebesperlen", von "Sekretärinnen", den "Comedian Harmonists" oder den Open Airs im Schlosspark. Der Erfolg beruht nicht zuletzt auf der Kunst der Präsentation eingängiger Texte und Melodien (Choreografie: Taiana Diara), und da ist das Spezialitäten-Team gut aufgestellt, mit den vier Musikern im gekachelten Orchestergraben und mit dem Ensemble auf der Bühne, mit Christine Zart, Evelyn Fuchs, Ulrike Knobloch, Leo Goldberg, Florian Graf, Paul Maximilian Schulze, Erik Studte und – als Gast – Franz-Joseph Strohmeier, der für den erkrankten Michael Jeske kurzfristig einsprang.

35 Songs plus zwei Zugaben
Und so geht es mit einem Tempo voran, 35 Songs plus zwei Zugaben, dass selbst dem skeptischsten Geist im Publikum keine Zeit zu einem "Ja, aber!" bleibt. Man erfreut sich wieder einmal an der Vielfalt populärer Musikkultur, vom obligatorischen Rennsteiglied bis zum von Christine Zart inbrünstig in die Welt geklagten "Fallin'" von Alicia Key, vom Senflied des Arnstädter Bratwursttheaters bis zu Leo Goldbergs im Conchita-Wurst-Kostüm herzergreifend übers Publikum gegossenen "Rise Like a Phoenix". Vom Herbert Roths markerschütterndem Jodlergruß bis zu Karats "Sieben Brücken" im Duett von Ulrike Knobloch und Franz-Joseph Strohmeier.

Und das alles heruntergebrochen auf ein Milieu, in dem sich Fleischereifachverkäuferinnen, und Meisterschlachter mit ihren Nöten und Freuden mühen und eine Metzgers-Oma (Erik Studte) in Erinnerung an bessere Zeiten herumtapst und mit einer Tröte die Werktätigen zur Räson ruft. Auch wenn die Handlung der Revue eher einer Verkettung mehr oder weniger glücklicher Thüringer Rostbratwürste gleicht als einem roten Faden: Auf diesem musikalischen Niveau werden selbst Vegetariern vom Leben gebeutelte Wurstwesen sympathisch, so lange man sie nicht riechen oder gar vernaschen muss. Standing Ovations und gute Geschäfte.
Vorstellungen: 23., 27., 28. März, 20. April, 3., 18. Mai, 11., 25., 29. Juni. Kartentelefon: 03693 451 222. www.staatstheater-meiningen.de
