Die Geschichte des berühmten Sohnes aus der Herrnmühle und Gönners der Gemeinde Hollstadt hält Familie Ress bis heute lebendig. Ludwig Ress war 1913 nach Amerika ausgewandert, hat sich durchgeschlagen und die sprichwörtliche Karriere vom Tellerwäscher zum Millionär erlebt. Grundlage hierfür war sein Talent als Ringer. Am 18. Mai 1920 wurde er jüngsten Nachforschungen zufolge in New York Weltmeister im Halbschwergewicht. Und diese Forschungen brachten obendrein eine längst verschollen geglaubte Trophäe wieder zum Vorschein: Den Weltmeistergürtel von Ludwig Ress, den alle nur "Cyclone", oder kurz "Cy", nannten.
Joachim Baumeister ist ein großer Ringen- und Wrestlingfan. Seit mehr als vier Jahrzehnten hat es ihm hierbei die Geschichte von Ludwig Ress besonders angetan, der wie er selbst aus Hollstadt stammt und sein Heimatdorf nie vergessen hat. Gemeinsam mit dem Hausherrn der Herrnmühle, Arno Ress, hat Baumeister immer wieder, vor allem in Amerika, Spuren von Ludwig Ress gesucht und gefunden und Sachverhalte klargestellt. Bislang ging Arno Ress immer davon aus, dass sein Großonkel Ludwig 1921 Weltmeister im Ringen gegen den Norweger Bernhoff Hansen wurde. Doch das stimmt so nicht, wie jüngste Nachforschungen ergaben.
Als blinder Passagier nach Amerika
Ludwig Ress wurde am 18. September 1891 in der Herrnmühle geboren. Nach der Schulzeit lernte er von 1904 bis 1907 beim Metzgermeister Vogt in Bad Neustadt den Beruf des Wurstmachers und ging später nach Hamburg. Nachdem ihn ein Metzger von jetzt auf gleich entlassen hatte, hielt Ress nichts mehr in Deutschland. Auf einem Amerikadampfer siedelte er 1913 als blinder Passagier in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten über und wurde Star einer Karnevalsgruppe, für die er das Publikum zu Ringkämpfen herausforderte. Gewinnen konnte gegen ihn aber niemand.
"Cyclone" war der Kampfname von Ludwig Ress im Ring. Zyklon, weil er seine Gegner ständig umkreiste und sich so immer wieder aus Umklammerungen zu lösen vermochte. Ludwig "Cyclone" Ress war ein herausragender Ringer und am 18. Mai 1920, heute vor 100 Jahren, siegte er im Kampf seines Lebens in New York gegen Jack Evans und sicherte sich den Weltmeistergürtel. Lange daran freuen konnte sich Cyclone Ress aber nicht. Schon im Juli 1920 verlor er einen folgenden Weltmeisterschaftskampf gegen den aus Norwegen stammenden Olympiasieger Bernhoff Hansen (1877-1950) und war den Gürtel wieder los.
Ein Brauhaus und eine Orangenfarm
Der Weltmeistertitel sicherte Cyclone Ress aber die eigene Zukunft. Im Jahre 1932 erwarb er mit Ringerkollege Martin Lüdecke das berühmte "54th Brauhaus" in New York, das zu einem beliebten Treffpunkt für prominente Sportler wurde. Später wurde Ress auch Eigentümer einen Orangenfarm in Florida.
Seiner Heimatgemeinde blieb Cyclone Ress immer treu verbunden, unterstützte finanziell unter anderem den Neubau der Turnhalle wie auch den Bau der Kirche. Ress starb im Jahre 1974 und fand in der Nähe von New York seine letzte Ruhestätte. Sein Weltmeistergürtel schien verschollen und Joachim Baumeisters jahrelange Suche danach ergäbe den Stoff für einem Krimi.
Ungezählte Siegerlisten hat Joachim Baumeister in den vergangenen Jahren durchgesehen und nach Cyclone Ress gesucht. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass da etwas nicht stimmen konnte". Baumeister suchte stets im Jahre 1921, weil Ress da angeblich Weltmeister wurde. Doch Cy Ress wurde schon ein Jahr früher Weltmeister und 1921 war er den Titel schon längst wieder los. Ein Hinweis darauf war der unterschiedliche Gürtel seines Titelnachfolgers Hansen und der auf einem Plakat mit Cyclone Ress. "Da bin ich stutzig geworden", sagt Baumeister.
In Norwegen wurde Baumeister fündig
Das Originalplakat von Cy Ress hat er in Amerika erstanden und nach langem "Ringen" mit dem Zoll nach Deutschland gebracht. Doch damit nicht genug. Baumeister wollte nicht nur das imposante Bildnis von Cyclone Ress, sondern den Weltmeistergürtel. Solcherlei Gürtel sind in Sammlerkreisen allerdings von hohem Wert und entsprechend begehrt. Nachdem Baumeister die genauen Jahreszahlen ermittelt hatte, kam ihm ein Zufall zur Hilfe.
Nach dem Titelgewinn von Bernhoff Hansen ging der Weltmeistergürtel in dessen Besitz über, weil Änderungen bezüglich des Veranstalters einen neuen Gürtel notwendig machten. Hansen durfte den "alten" Gürtel behalten. Der Originalgürtel, auf dem bis heute die Plakette von Cyclone Ress' Weltmeisterkampf angebracht ist, befindet sich in Hansens Heimat Nordnorwegen, genauer in einem Museum in Rognan.
Kopie des Weltmeistergürtels soll in Hollstadt zu sehen sein
Der Erwerb dieses Gürtels war für Joachim Baumeister aus Hollstadt unmöglich. "Unverkäuflich", lautete die Antwort aus Norwegen. Aber Fotos konnte Baumeister aufnehmen, und so in Deutschland eine originalgetreue Kopie des Gürtels anfertigen lassen. Diese hätten Baumeister, Arno Ress und Bürgermeister Georg Menninger, der ebenfalls entfernt mit Cyclone Ress verwandt ist, gerne in einer Ausstellung zum Jubiläum des Titelkampfes gezeigt.
Doch Corona macht diesem Ansinnen einen Strich durch die Rechnung. Jetzt halten Joachim Baumeister und Arno Ress die Erinnerung an den Weltmeisterschaftskampf von Cyclone Ress weiterhin hoch. Irgendwann in Zukunft wird der Weltmeistergürtel von Ludwig "Cyclone" Ress auch mal in einer Ausstellung in seinem Geburtsort Hollstadt zu sehen sein.