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Die Schäfer und der heilige Bürokratius
Rhönschaf-Hütepokal: Beim Weideabtrieb zeigten Herr und Hund was sie können und informierten über ihren interessanten Beruf
Eckert, Marion
 |  aktualisiert: 15.12.2020 16:33 Uhr
Fotoserie

Zum ersten Mal wurde in diesem Jahr in Verbindung mit dem Weideabtrieb in Ginolfs auch ein Rhönschaf-Hütepokal ausgetragen. Sieger des Wettbewerbs wurde der Schäfer der Weidegemeinschaft Rhönschafe, Julian Schulz. Er war auch der Ideengeber und Organisator für den Rhönschaf-Hütepokal. „Wir haben seine Idee gerne aufgenommen und unterstützt“, sagte der Sprecher der Dorfgemeinschaft, Josef Kolb, und beglückwünschte Julian Schulz zu seinem Sieg. „Er hat tolle Hunde und eine sehr gute Leistung gezeigt“, lobte auch Moderator Wolfgang Thomann, der am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen unter anderem als Fachberater für Schafe und Ziegen tätig ist.

Als „Thomas Gottschalk der Schafe“ bezeichnete er sich selbst. Vier Schäfer stellten sich dem Wettbewerb. Es galt, jeweils 300 Rhönschafe der Weidegemeinschaft durch einen festgelegten Parcours zu treiben. Bewertetet wurde das Zusammenspiel von Schäfer, Hund und Schafen. Dabei standen die Tugenden des Hundes, wie Gehorsam, Fleiß, Selbstständigkeit und Griff, zur Bewertung. Julian Schulz und seine Halka bekamen 80 von 100 Punkten, was einem „sehr gut“ entspreche. „Ich bin auch sehr zufrieden“, sagte Schulz, wobei er nicht mit einem Sieg gerechnet hatte. Er startete als Erster, und das sei immer ein Risiko, denn bei späteren Durchgängen wissen die Schafe oft schon, was zu tun sei. Es könne aber auch durchaus vorkommen, dass sie bei späteren Durchgängen „genervt“ seien und keine Lust mehr haben.

Wie dem auch sei, Julian Schulz habe verdient gewonnen, lobte Thomann. Doch auch die Leistung der anderen Schäfer sei hervorragend gewesen, lagen sie doch mit den erzielten Punkten knapp hinter dem Schäfer der Weidegemeinschaft.

Viele Informationen gab es zum Beruf der Schäfer. Schäfer - ein harter Job, so überschrieb es Thomann. Der Arbeitsplatz vorwiegend in freier Natur, bei Wind und Wetter, erfordere eine gute Konstitution und viel Widerstandsfähigkeit. Der Beruf des Schäfers sei ein Beruf, der hohe Anforderungen an den Schäfer stelle. Er brauche ein gutes Gefühl im Umgang mit Tieren, mit Hunden wie mit Schafen, die Fähigkeit, Erkrankungen der Tiere rechtzeitig zu erkennen, und sie gegebenenfalls zu behandeln.

Natürlich seien Kenntnisse über artgerechte Haltung, über Ernährung und Verhaltensbiologie vonnöten, sowie botanische Kenntnisse. Normalerweise werde der Schäfer als Einzelgänger betrachtet, der viel Zeit habe, die Welt und das Leben philosophisch zu betrachten, doch das sei eine ebenso romantische wie falsche Sichtweise.

Der Schäfer von heute müsse mit vielen verschiedenen Menschen umgehen können, mit Naturschützern, Jägern, Erholungssuchenden, Landeigentümern, Bauern, Bürgermeistern und Ortsansässigen. Die Schäferei sei vom Wetter abhängig. „Je länger die Weidezeit und je kürzer die Winterstallhaltung, umso rentabler ist eine Schäferei“, so Thomann. Eine alte Schäferweisheit besage, „ein Tag auf der Weide kostet ein Schaf zehn Pfennige, einen Tag im Stall kostet ein Schaf eine Mark“.

Weideflächen gebe es in Unterfranken vorwiegend im Spessart und in der Rhön. 2013 gab es in Unterfranken noch 62 Schäfereien, doch der Rückgang sei kaum aufzuhalten, drei Betriebe gaben heuer auf. Existenziell wichtig seien für die Schäfereibetriebe möglichst lange Pachtverträge, die Planungssicherheit geben. Unsichere Weidepachtverhältnisse durch Konkurrenzkampf um die Schafweiden seien Problemfelder. Mit dem Rückgang der Landwirtschaft seien die Schäfer vor Jahrzehnten quasi geholt worden, um die Verbuschung und Wiederbewaldung der Landschaft zu bremsen beziehungsweise zu verhindern. „Mit Aufgabe der Gemeindeschäferei in der Rhön war man froh, dass sogenannte Wanderschäfer durch die Rhön zogen, um durch Beweidung das Land offen zu halten.“ Heute seien die vielen Förderprogramme Anreiz auch für Einheimische, wieder mit der Hutung von Nutztieren zu beginnen.

„Unseren hauptberuflichen Schäfern werden dadurch Flächen entzogen, die ihre Lebens- und Existenzgrundlage bilden.“ Und im Konkurrenzkampf um mögliche Schafweideflächen unterliege meist der Wanderschäfer, da er als „Nichteinheimischer“ gelte. Thomann sprach über die Konkurrenz der Biogasanlagen, die Grünland „verschlingen“, über Wasserschutzgebiete, die vergrößert werden und Weideverbote nach sich ziehen, über Probleme mit der Jägerschaft und eine überbordende Bürokratisierung. Dabei gehe es nicht nur um die Kennzeichnungspflicht der Tiere, der Schäfer gelte als Futtermittelunternehmer, Tiertransportunternehmer und Lebensmittelunternehmer - hier schlage der Nationalheilige Deutschlands zu – der Heilige Bürokratius.

Schafe, so weit das Auge reicht: Beim Wettbewerb der Schäfer und ihrer Hütehunde war zu beweisen, dass 300 Rhönschafe immer gut in der Spur und auf dem Pfad bleiben.
| Schafe, so weit das Auge reicht: Beim Wettbewerb der Schäfer und ihrer Hütehunde war zu beweisen, dass 300 Rhönschafe immer gut in der Spur und auf dem Pfad bleiben.
Der Sieger: Julian Schulz (Mitte) wurde mit seinem Hund Halka Sieger des Rhönschaf-Hütepokals. Im Bild von links: Sandro Kirchner (Landtagsabgeordneter), Bürgermeisterin Birgit Erb, Josef Kolb, Julian Schulz, Wolfgang Thomann, Karl-Heinz Kolb und Peter Schrenk.
| Der Sieger: Julian Schulz (Mitte) wurde mit seinem Hund Halka Sieger des Rhönschaf-Hütepokals. Im Bild von links: Sandro Kirchner (Landtagsabgeordneter), Bürgermeisterin Birgit Erb, Josef Kolb, Julian Schulz, ...
Blumen für die Kuh: Einmal im Jahr wird auch die Milcherzeugerin geschmückt.
| Blumen für die Kuh: Einmal im Jahr wird auch die Milcherzeugerin geschmückt.
Es geht heim in den Stall: Prächtig geschmückt ließen sich die Kühe brav führen. Beim Weideabtrieb durften sich die Tiere von ihrer schönsten Seite zeigen.
Foto: Fotos (5): Marion Eckert | Es geht heim in den Stall: Prächtig geschmückt ließen sich die Kühe brav führen. Beim Weideabtrieb durften sich die Tiere von ihrer schönsten Seite zeigen.
 
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