Verständnis wecken für die vielfältigen Aufgaben und damit verbundenen Notwendigkeiten der Betriebsführung, das ist dann das Hauptanliegen, das Helmut Grosser und Wolfgang Pfeiffer vom Überlandwerk Rhön verfolgen, wenn sie einer Besuchergruppe ihren Betrieb vorstellen. Das war auch der fall, als sie eine Gruppe aus dem Kreisverband der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA) zusammen mit Vertretern des CSU-Ortsverbands Ostheim begrüßten.
Konrad Tripp, der Kreisvorsitzende der CSA Rhön-Grabfeld, und Peter Wienröder, Ortsvorsitzender der Ostheimer CSU, hatten diese Betriebsbesichtigung mit der Geschäftsleitung des Überlandwerks Rhön (ÜWR) vereinbart. Es war ein höchst instruktiver Nachmittag, bei dem die Gäste alles über die Gliederung, die Geschichte, die Arbeitsweise, die geschäftlichen Möglichkeiten und besonders auch die Preisgestaltung dieses in kommunaler Hand befindlichen Stromanbieters erfuhren. Auch ein Besuch der Netzleitstelle, quasi das Herz des Unternehmens, gehörte zum Programm. Dort erläuterte Roland Kauschka zusammen mit Grosser, wie das ÜWR eventuelle Störungen bei der Stromversorgung lokalisiert und behebt.
Im großen Tagungssaal des Hauses stellten dann Abteilungsleiter Wolfgang Pfeiffer und Chef Helmut Grosser das Überlandwerk vor. Aufgabe des Versorgungsunternehmens ist, die Rhön zuverlässig mit elektrischer Energie zu versorgen. Mit 'Rhön‘ ist dabei der ganze Bereich dieses Mittelgebirges gemeint, denn das Stromnetzgebiet des ÜWR erstreckt sich auf die bayerische, die hessische und die thüringische Rhön von Burglauer in Unterfranken bis nach Tann in Hessen und Buttlar/Weilar in Thüringen. Die Zentrale ist in Mellrichstadt, aber es gibt auch sechs Außenstellen.
Über 93 Jahre ist das ÜWR nun alt und hat eine teilweise bewegte Geschichte hinter sich. Besonders die Anfangsjahre nach der Gründung im März 1920, die Spaltung Deutschlands mit dem Wegfall der thüringischen Gesellschafter und Kunden sowie die Wiedervereinigung 1990 und damit auch die Wiedereingliederung der thüringischen Gesellschafter in das ÜWR stellten eine enorme Herausforderung für das Unternehmen dar. Besonders die Phase der Wiederaufnahme der Thüringer war „eine spannende Zeit“, wie Helmut Grosser sagte, und er dankte Johann Böhm bei dieser Gelegenheit noch einmal für seinen Einsatz – der damalige bayerische Landtagspräsident hatte mit dafür gesorgt, dass die Gespräche versachlicht wurden und somit die Wiedereingliederung gelang.
Herausforderungen ganz anderer Art muss sich das ÜWR als ein wesentlicher Teil der regionalen Infrastruktur heute stellen: Ökostrom und Stromproduktion im Überbedarf; die radikale Energiewende der Bundesregierung, von der aber noch keiner weiß, wohin die Reise gehen wird; Auflagen des Gesetzes über erneuerbare Energien; bürokratische und damit oft lähmende Hürden – all das sind die Problembereiche, mit denen sich die Leitung des ÜWR heute auseinandersetzen muss.
Zurzeit erfasst es eine Fläche von 1125 Quadratkilometer (fast ebenso viel wie damals bei der Gründung). 54 000 Bewohner dieses Gebiets sind Kunden des ÜWR. Das Gesamtnetz umfasst, bedingt durch die langen Wege zu den Verbrauchern, 3427 Kilometer Stromleitungen, und 207 Mitarbeiter sorgen dafür, dass auch alles klappt. 26 dieser Mitarbeiter erhalten als Azubis eine qualifizierte Ausbildung in den Bereichen technische und kaufmännische Dienstleistung. Diese Zahl sei für ein Unternehmen von dieser Dimension überdurchschnittlich groß, sagte Wolfgang Pfeiffer.
Die Besucher erfuhren des Weiteren, dass das ÜWR bei neun Stromerzeugern in unserem Bereich selbst beteiligt ist. Pfeiffer informierte über die Entwicklung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, wie viel Strom von verschiedenen Energieträgern insgesamt in Deutschland erzeugt wird und dass es dabei zu Überkapazitäten mit zum Teil grotesken Folgen komme, weil zum Beispiel Wind- und Fotovoltaik-Strom nur schwer zu prognostizieren sind.
Neben der Darstellung von physikalisch bedingten Problemen (beispielsweise der Schwierigkeit, Strom zu speichern) war es Pfeiffer offenbar ein besonderes Anliegen, die Strompreisgestaltung verständlich zu machen. Viele Kunden wissen nämlich nicht, dass ein Stromunternehmen nur auf etwa 26 Prozent der Gesamtkosten einen Einfluss hat, fast 74 Prozent fallen in den staatlich regulierten Bereich und müssen unabhängig vom Anbieter bezahlt werden.
In der Diskussion betonte Grosser, dass das deutsche System der Stromversorgung kaum in zehn Jahren auf die neuen Verhältnisse umgestellt werden könne. Die Energiewende sei keineswegs zu Ende gedacht. Zudem dürfe man nie vergessen, dass zwar lokal kleine autarke Einheiten denkbar sind, nicht aber Deutschland insgesamt, da es voll in das europäische Stromnetz eingebunden ist. Er warnte damit davor, dass deutsche„Alleingänge für uns schwierig“ werden würden. „Ein einseitiges Losgaloppieren in die erneuerbaren Energien führt uns nicht zum Ende“, sagte auch Pfeiffer dazu.
Landrat Thomas Habermann – er ist der Aufsichtsratsvorsitzende beim ÜWR – drückte es noch drastischer aus: „Es ist eine Spinnerei zu glauben, wir könnten uns autark machen“, sagte er. Das Gesetz über erneuerbare Energien (EEG) führe zu einer gewaltigen Vermögensverteilung, war Habermann überzeugt, und damit auch zu einer Störung des sozialen Friedens. „Bei uns“, sagte Habermann und meinte damit das ÜWR, „steht der Servicegedanke im Vordergrund“, und fügte hinzu, dass mehr Aufklärung über die Arbeit dieses Unternehmens bei seinen Kunden nötig sei. Das Überlandwerk bezeichnete er als einen verlässlichen Partner, der natürlich auch wie jedes Unternehmen auf Gewinne angewiesen ist.
Iris Muhr, die Betriebsratsvorsitzende des ÜWR (mit ihr erstmals eine Frau in dieser Position), stellte dankbar fest, dass das Überlandwerk ein stabiler Arbeitgeber sei, und Helmut Grosser erkannte in der Gewerkschaft Verdi einen fairen Partner, der dem Unternehmen bei den Tarifverträgen „Luft und Raum zum Atmen“ gelassen habe. Über 70 Frauen arbeiteten im ÜWR, deren „hervorragenden Einsatz“ er sehr lobte.