München. Olympische Sommerspiele 1972. Bei der Geiselnahme am 5. September stürmten acht bewaffnete Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September das Wohnquartier der israelischen Olympiamannschaft und nahmen elf Mitglieder als Geiseln fest.
Wenn der ehemalige Bad Brückenauer Polizeidienststellenleiter Eduard Heyne über die 70er-Jahre nachdenkt, kommt ihm dieses Ereignis sofort in den Sinn. Damals war er als 22-jähriger Polizist in der Ausbildung für den höheren Dienst und zu der Zeit vor Ort in München. „Während der Sommerspiele wurde ich mit einigen Kollegen zur Verstärkung des Verkehrszugs gerufen“, erzählt er. Dabei waren Kontrollen rund um die Münchner Autobahnen angesagt, aber auch das Lotsen von bekannten Persönlichkeiten (VIPS) zu den olympischen Veranstaltungen.
„Ich kann mich noch daran erinnern, mit dem Krad einen Botschafter vom Starnberger See nach München begleitet zu haben. Mit Martinshorn und Blaulicht“, sagt er, und lächelt. Es sei eine spannende und abenteuerliche Zeit gewesen, „wir haben viele Leute aus verschiedenen Ländern kennengelernt“.
Am 5. September hatte Heyne Spätdienst und kam erst gegen mittags in die Dienststelle. „Da saßen alle betroffen am Tisch. Die schockierende Nachricht traf mich unerwartet.“ Von einem Moment auf den anderen war die Leichtigkeit, die bisher die Olympischen Spiele begleitet hatte, verschwunden, „es machte sich Entsetzen breit“. Die Verfolgungsjagd der Geiselnehmer durch die Polizei zum Militärflugplatz Fürstenfeldbruck konnte der damals 22-Jährige per Funk mitverfolgen. „Das waren dramatische Situationen. Mir wurde bewusst, wie ernst die Lage ist und wie viele Leben auf dem Spiel stehen. Ich bekam mit, wie ein Kollege angeschossen wurde.“ Als die Befreiungsaktion scheiterte, und insgesamt 17 Menschen ihr Leben verloren, sei dies eine resignierende Nachricht gewesen. „Mir wurden die Augen geöffnet, wie gefährlich mein Beruf sein kann“, erzählt Heyne.
Überhaupt empfindet er die 70er-Jahre im Nachhinein als eine Zeit des Aufbruchs. „In der Gesellschaft brodelte es.“ Studentendemonstrationen standen auf der Tagesordnung, auch gab es großen Protest gegen den Bau von Atomkraftwerken. So war Heyne 1977 bei einem Prozess vor dem Würzburger Verwaltungsgericht dabei, in dem es um den Weiterbau des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld ging. „Wir waren zum Schutze des Gerichtes vor Ort“, sagt er.
Auch 1977 in Brokdorf war er von der Bereitschaftspolizei aus im Einsatz, als 40 000 Menschen gegen den Bau des dort geplanten Atomkraftwerkes demonstrierten. „Wir waren eine Woche in einem Zug in Itzehoe untergebracht. Es gab verschiedene Drohungen gegen uns“, erzählt er. Zum Glück mussten in den Tagen, in denen er dort war, keine Wasserwerfer oder Schlagstöcke gegen die Demonstranten eingesetzt werden. „Vereinzelt gab es Festnahmen“, erinnert er sich.
Aus eigener Erfahrung kann der heute 62-Jährige auch über die Entführung und Ermordung des Managers und Wirtschaftsfunktionärs Hanns Martin Schleyer im September 1977 berichten. In diesen Jahren hatte die linksterroristische Rote Armee Fraktion (RAF) ihre aktivste Zeit. „Ich war Gruppenleiter bei der Polizei Bad Brückenau und hatte in der Nacht der Entführung Dienst. Wir waren sofort in die Kontrollmaßnahmen eingebunden und überwachten und kontrollierten den Verkehr an den Anschlussstellen zur A7.“ Das sei keine ungefährliche Situation gewesen, „wir wussten ja, dass die RAF-Leute bewaffnet waren“.
Schöne Erinnerungen indes hat er an das Finale der Fußballweltmeisterschaft 1974. Da arbeitete er zum Schutze der deutschen Nationalmannschaft in deren Quartier in München Grünwald. „Wir waren ganz nah dran an den Spielern und schauten beim Training zu.“ Er habe sich hautnah von der Ballfertigkeit eines Franz Beckenbauer überzeugen können. „Wir beobachteten auch, wie manche Spieler in der Nacht ausbüchsten.“ Nie vergessen wird er sein kurzes Gespräch mit Sepp Maier vor dem Endspiel gegen Holland. „Ich rief ihm zu: ,Sepp, heute wird aber gewonnen.‘ Er schaute zu mir und antwortete in breitestem Dialekt: ,I wois netta‘.“ Da habe man richtig gemerkt, wie angespannt die Spieler waren. Umso größer war die Freude über den 2:1 Sieg. Deutschland war nach 1954 zum zweiten Mal Fußballweltmeister. „Das war ein tolles Erlebnis“, sagt der 62-Jährige, dessen Leben im Ruhestand doch etwas ruhiger geworden ist.
Nicht zuletzt seien die 70er-Jahre auch für seine persönliche Entwicklung wichtig gewesen, „denn in dieser Zeit habe ich meine berufliche Fügung gefunden und das Fundament für meine zukünftige Familie geschaffen“.