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BAD NEUSTADT
Die Inschrift ist wichtig, nicht das Beiwerk
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 |  aktualisiert: 02.03.2015 11:15 Uhr

Bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fehlt auf den Grabsteinen des jüdischen Friedhofs von Bad Neustadt nahezu jeder Dekor; die an den Verstorbenen erinnernde Inschrift ist wichtig, nicht das Beiwerk. Die Inschrift bleibt bis in die Assimilationsphase des 19. Jahrhunderts ausschließlich hebräisch in Quadratschrift. Erst dann wird der Grabstein allmählich in beiden Sprachen mit dem hebräischen und dem deutschen Namen des Verstorbenen beschriftet. Der Haupttext bleibt meist Hebräisch. Im 17. Jahrhundert begannen die Juden, ihre Grabsteine mit reichen Schmuckelementen, Ornamenten, Symbolen und gelegentlich auch mit figürlichen Darstellungen verzieren zu lassen.

Auf den jüdischen Grabsteinen sind keine Biografien im herkömmlichen Sinne vermerkt, sondern die positiven Seiten im Tun des Verstorbenen – über die negativen schweigt man aus Rücksicht. Von weltlichen Dingen ist da also nicht die Rede, sondern von dem, was der Verstorbene für die Gemeinschaft getan hat.

Grabinschriften sprechen über Männer und Frauen. Es gibt aber auch Gruppen der jüdischen Gesellschaft, die aus sozialen und finanziellen Gründen (wie Mägde) keine Steine bekamen, sondern, wenn überhaupt, Holzstelen, die sich nicht erhalten haben. Auch Kinder haben oft keine Steine bekommen. Es gibt aber auf den jüdischen Friedhöfen Steine für Kinder, zu erkennen an ihrer geringeren Größe.

Als Beispiel sei die ausführliche Inschrift des Grabsteins von Abraham ben Zwi auf dem jüdischen Friedhof in Kleinbardorf angeführt, der in Thundorf wohnte und am Dienstag, 27. Januar 1874 bestattet wurde. Michael Trüger übersetzte sie. Sie lautet:

„Nah und Fern trauerte, da der Gerechte und Wohltätige in seine Welt einging. Seine aufrichtigen Söhne, in seinen Fußstapfen wandelnd, Zahlreich sind seine Vorzüge und Wohltaten, zu knapp dieser Stein, um sie auszubreiten und um seine Löblichkeiten zu erzählen.

Bescheidenheit wie Liebe zur Tora und Sein Haus war ein Treffpunkt von Tora-Gelehrten, die er mit zahlreichen Geschenken versah.

Seine Söhne erzog er zum Studium der Tora und gebot ihnen Wohltätigkeit zu üben. Seine Seele erfreute sich, Hungernde zu sättigen und streitfrei an seinem Glauben festzuhalten. Freude und Gesang waren in seinem Haus an Festtagen, frühzeitig kam er immer ins Bethaus. In Armut wie in Reichtum ertrug er Leid in Liebe und wich von seinem Glauben nicht ab.

Seine Tage zeugen für seine Rechenschaft. Nur Gutes wirkte er mit all seiner Macht und sein geehrter Name gleicht dem großen Namen Raw Abraham ben Zwi, Kramer von Thundorf verstorben im Greisenalter am Dienstag, dem 9. Schwat 634 der kleinen Zählung. Seine Seele sei eingebunden im Bund des Lebens.“

Literatur: Brocke/Müller: Internetseite spurensuche.steinheim-institut.org

 
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