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Die Gäns-Franzl packt aus
Heimatkunde Die Gäns-Franzl war ein Original in der Stadt, weiß man noch aus alter Zeit. Sabine Scharfen- berger schlüpfte in ihre Rolle und erzählte neugierigen Zuhörern „Allerlei Wahres und Unwahres“ aus Mellrichstadt.
Sabine Scharfenberger schlüpft in Mellrichstadt in die Rolle der Gäns-Franzl – im Bild an der Teufelsquelle am Großenberg.
Foto: Tanja Heier | Sabine Scharfenberger schlüpft in Mellrichstadt in die Rolle der Gäns-Franzl – im Bild an der Teufelsquelle am Großenberg.
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 |  aktualisiert: 04.09.2017 03:15 Uhr

Langweilig wird es in Mellrichstadt nie. Besonders in der Ferienzeit lassen sich die Mitglieder des Vereins Aktives Mellrichstadt immer wieder etwas Neues einfallen, um Einheimische und Gäste zu unterhalten und ihnen die Besonderheiten der Region näherzubringen. Im Rahmen der Reihe „Kultur im Sommer“ hatte am Dienstagabend die Gäns-Franzl zu einer Entdeckertour entlang der Stadtmauer eingeladen. Ob die redselige Dame dabei immer die Wahrheit erzählte, darf augenzwinkernd in Frage gestellt werden. Unterhaltsam waren ihre Anekdoten auf jeden Fall.

Knapp 20 Interessierte hatten sich gegen 18 Uhr an der Streuwiese eingefunden, wo sie gespannt auf die Ankunft der Gäns-Franzl warteten. Sabine Scharfenberger schlüpfte an diesem Abend in die Rolle des Mellrichstädter Originals. Wenn auch nicht gleich zu Anfang.

1496 brannte Mellrichstadt nieder

Mit Beginn des Rundgangs machte Scharfenberger bereits neugierig auf interessante Sagen und Legenden über die Geschichte der Stadt. Start war am Mühlrad am unteren Stadteingang, das 1283 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Vorbei an den Metallbögen ging es mit einem Zwischenstopp im Zwinger in Richtung Brügel. Zuvor erfuhren die Teilnehmer, dass das Städtchen 1496 durch einen Blitzeinschlag zu zwei Dritteln zerstört wurde; einzelne rote Steine im Mauerwerk erinnern noch an den verheerenden Brand.

Das nahegelegene Heimatmuseum, die nächste Etappe, diente als Lagerstätte für das Salz der Kissinger Saline. Die Gästeführerin gab eine gruselige Sage vom schwarzen Hund zum Besten, welcher den Eingang zum Salzhaus bewachen sollte. Diese Geschichte diente dazu, Diebe abzuschrecken, da das weiße Gold damals ein wertvolles und teures Gut war. 1980 ging das Salzhaus in städtischen Besitz über und wird von Rudolf Mauder mit viel Herzblut betrieben.

Bevor sich Sabine Scharfenberger in die Gäns-Franzl verwandelte, zeigte sie ein Foto des Mellrichstädter Originals. Aufgenommen hatte es der ortsansässige Fotograf Anton Tretter im Jahr 1910, es zeigt die Gäns-Franzl beim Gänse hüten auf dem Marktplatz. Das genaue Geburtsdatum der Frau ist nicht bekannt, es dürfte ungefähr 1865 gewesen sein. 1950 starb die Franzl, die den Überlieferungen zufolge ein interessantes Leben geführt haben muss.

Die Gästeführerin war unterdessen in einen Rock der Gänsehüterin geschlüpft, hatte die schicken Schuhe gegen ausgetretene Latschen getauscht und sich ein Kopftuch übergezogen. Mit einem Metallkorb unter dem Arm führte sie – ganz im schnoddrigen Stil ihres historischen Vorbilds – an weitere Plätze in der Stadt. Obwohl sie in Mellrichstadts Armenhaus lebte, hatte die Gäns-Franzl selten schlechte Laune. Resolut verwechselte sie ihre Gästeschar bisweilen mit dem Federvieh, indem sie sie mit den Worten „Nicht so viel geschnattert“ in Richtung katholische Kirche trieb. Hier sorgte die Sage vom Schimmelreiter, welcher am Kirchweihsonntag auf dem Turm sein Unwesen treiben soll, für Schaudern.

Zügig lief die Gruppe weiter zum östlichen Stadteingang, hin zur Lieblingsstelle der Gäns-Franzl. Unterwegs erfuhren die Zuhörer die Geschichte, als das ihr anvertraute Federvieh für Aufregung am Waschtag sorgte, weil es munter über die frisch gebleichten Tischtücher watschelte. Somit zog es natürlich den Unmut der fleißigen Hausfrauen auf sich, was eine Kürzung des Hütegeldes für die Franzl zur Folge hatte.

Gerne mochte die bescheidene Frau das sogenannte Tropfbier, welches ihr der Wirt bisweilen aufhob. Wenn sie zu tief ins Glas geschaut hatte und auf der Toilette einschlief, konnte es passieren, dass sie Hohn und Spott auf sich zog. Um von dieser Schmach abzulenken, plauderte sie munter über den Nachtwächter und diverse Liebespärchen, welche sich unter seinen gestrengen Augen entlang der Stadtmauer herumtrieben.

Von Sünden reinwaschen

Wer mit dem Wasser der Teufelsquelle am Großenberg in Berührung kommt, dem werden die Sünden der letzten drei Tage erlassen, behauptete die Gäns-Franzl. Bleibt zu hoffen, dass sich nicht allzu viele Sünder unter den Zuhörern befanden, da die Quelle an diesem Abend trocken lag.

Nach dieser Station verwandelte sich das Mellrichstädter Original wieder in Sabine Scharfenberger, weil die Hütefrau nur zum Abholen des Federviehs zum Marktplatz durfte und ansonsten außerhalb der Stadt bleiben musste. Vorbei am Brunnenhäuschen der Heiligenquelle ging es zum alten Friedhof. Mit Blick auf den Bürgerturm blieb die Gruppe stehen, um zu erfahren, was man früher mit den einheimischen Kleinkriminellen anstellte. Wer beispielsweise die Nachtruhe störte, wurde bei Wasser und Brot einige Tage lang eingesperrt.

Fremde Gesetzesbrecher hatten nicht ganz so viel Glück, sie erhielten härtere Strafen und saßen im Pulverturm ein. Zunächst aber ließ man das Ambiente des heutigen Stadtparks, früher ein Friedhof, auf sich wirken. Bis 1978 gab es hier noch Beisetzungen; 20 Jahre später wurde der alte Friedhof in einen wunderbar gepflegten Park verwandelt.

Nach Mellrichstadts Ehrenbürger Max Schweser wurde der Schweserturm benannt. Dieser ist originalgetreu restauriert und vorne offen, um einen Blick auf das Innenleben preiszugeben. Kurz war die letzte Etappe bis zur Badpforte am westlichen Stadteingang. Das einstige Badhaus bei der Eichersmühle steht kurz vor dem totalen Zerfall. Ganz anders als auf dem Bild des einheimischen Malers Peter Klier, das Sabine Scharfenberger an dieser Stelle auspackte. Damals wurde dort noch geschröpft; auch andere medizinische Anwendungen soll es gegeben haben. Wie dehnbar jener Begriff ist, zeigt Kliers gewollt satirisches Werk. Man könnte nämlich zudem zweideutige Annehmlichkeiten leichtbekleideter Damen als Dienst an den männlichen Besuchern hineininterpretieren – dies blieb der Phantasie jedes einzelnen überlassen.

 
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