Um 12.36 Uhr am Dienstag rollt er ein – der Bus mit den ersten Asylsuchenden für die Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Mellrichstadt. Die Werbung auf dem Gefährt lädt zur Urlaubs-Kreuzfahrt ein. Als Traumziel sehen die ankommenden Syrer das Haus in der Sondheimer Straße nicht; aber es bietet ihnen Unterschlupf für die kommenden Wochen und Monate. Der Empfang gerät allerdings anders als vor einem Jahr in Fladungen.
Diesen Moment haben Birgit Sauer sowie ihre Mitstreiter Jens Meyer und Michael Limpert erwartet. Die Mitarbeiter der Regierung von Unterfranken schütteln jedem der Ankömmlinge die Hand. Zuerst den jungen Männern, die als Erste aussteigen. Dann den anderen Erwachsenen und ihren Kindern.
Das Gepäck ist schnell ausgeladen. Mühsam wuchten es die Flüchtlinge die Treppe zur ehemaligen Außenstelle der Kreisberufsschule hinauf, stellen es im Vorraum ab.
„Familie?“ ruft Birgit Sauer in die Runde. Für sie beginnt die heiße Phase der Aufnahme. Zunächst heißt es, den neuen Bewohnern ihre Bereiche zuzuweisen. Die Familien mit Kindern beziehen Zimmer im Erdgeschoss; die alleinstehenden Männer kommen in einem Raum im Keller unter. Nebenan in der Küche schrauben zwei Arbeiter der Firma Krapf aus Premich den metallenen Spritzschutz hinter die Kochstellen. Ganz komplett ist die Ausstattung der GU noch nicht.
Während die Syrer sich einrichten, durchforsten Sauer und Meyer die mitgelieferten Akten. Sie müssen wissen, ob auch da ist, wer angekündigt wurde. Bereits am Montagabend erfuhren sie, dass die Asylsuchenden nicht aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt, sondern aus Roth, Pleinfeld und Uffenheim in Mittelfranken anreisen.
Jetzt erleben sie wieder eine Überraschung: Einer der alleinstehenden Männer ist nicht mitgekommen. Also ziehen nun nicht 17, sondern 16 Menschen ein. Aus der Ruhe bringt das Birgit Sauer nicht. „Es war immer so, dass einer fehlt oder welche dazukommen.“ In der Unterkunft in Fladungen beispielsweise seien vor dem Herbstferien zwei Asylsuchende angekündigt worden; vor der Tür standen schließlich fünf.
Michael Limpert führt indes einige Neuankömmlinge durchs Haus, zeigt ihnen die Toiletten und Duschen. Die Männer wirken müde. Noch weiß keiner der Betreuer, was sie alles hinter sich haben. Möglicherweise haben sie schon Tage und Wochen in südbayerischen Zelten und Turnhallen verbracht, bevor sie zur Erstaufnahme nach Franken kamen. Es gibt nichts, was es nicht gibt.
Mehr herausfinden lässt sich an diesem Mittag nicht. Die Syrer können nur „Hallo“ und „Dankeschön“ sagen; englisch sprechen sie kaum. Der ehrenamtliche Dolmetscher geht noch seiner Arbeit nach. Einer fragt nach „school“ und meint einen Deutschkurs. „Das muss warten“, sagt Limpert. Darum wird sich der Helferkreis kümmern.
Unterdessen sind zwei junge Damen vom Landratsamt eingetroffen. Carolin Schmidt und ihre Kollegin arbeiten für die Sozialverwaltung und bringen Geld mit. Früher erhielten die Asylsuchenden ein Lebensmittelpaket; jetzt bekommen sie „einen Teilbetrag für Essen“ ausgezahlt.
Nach einer Dreiviertelstunde rücken die Damen wieder ab. Demnächst kehren sie zurück und nehmen die Personalien der Syrer genauer unter die Lupe. Jeder kann einen „Leistungsantrag für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz“ stellen – die Basis für eine Art Unterhalt vom Staat.
Alles in allem fällt der Empfang für die Neu-Mellrichstädter eher nüchtern aus. Im Dezember 2014 hatten Offizielle und Ehrenamtliche unterm leuchtenden Weihnachtsbaum ein wahres Willkommensfest gefeiert.
Doch es sind nicht die ersten Asylsuchenden in Mellrichstadt und der Rhön. Routine schleicht sich ein bei Helfern und Verantwortlichen. Und vielleicht auch Ernüchterung, wegen der Vorkommnisse der Silvesternacht von Köln.
Gegen 14.30 Uhr erreichen Marianne Fritz und andere Mitglieder des Solidaritätsteams die Unterkunft. Im Gepäck Mellrichstadt-Taschen mit nützlichen Dingen und plüschige Rhönschafe für die Kinder. Sie helfen den Neuen beim Einräumen, wollen ihnen Einkaufsmöglichkeiten und die Stadt zeigen, sie aus ihrem Materialdepot schöpfen lassen.
Da läuft im Haus schon die erste Waschmaschine. Und die jungen Männer kehren vom Einkaufen zurück. Die ersten Schritte in ihrer neuen Heimat sind sie schon gegangen.