Das Gebäude strahlt einen repräsentativen Charakter aus, wie eh und je seit sechs Jahrzehnten. Anfang der 1950er Jahre im Außenbereich der Stadt – und doch in zentraler Lage in der Sondheimer Straße – errichtet, kündete die Kreisberufsschule Mellrichstadt vom beginnenden Wirtschaftsaufschwung. In mehr als 60 Jahren hat das Schulhaus dann eine wechselvolle Geschichte geschrieben. Der einschneidendste Wandel steht freilich in diesen Tagen bevor: Aus der Berufsschule wird eine Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Asylsuchende und Flüchtlinge. Die Ersten von ihnen, wohl an die 20 zunächst einmal, werden gegen Ende des Monats Januar dort einziehen.
Auch wenn das äußere Erscheinungsbild nichts von seinem Flair eingebüßt hat, so haben die Um- und Ausbauten das Innenleben des Gebäudes grundlegend verändert. Das konnten dieser Tage etwa zwei Dutzend ehrenamtliche Helfer des Solidaritätsteams selbst in Augenschein nehmen, als sie der Einladung von Helmut Dietz, Leiter des Bürgeramts und „hauptamtlicher Kümmerer“ in Flüchtlingsfragen, gefolgt waren. Und sich gerne der Führung von Birgit Sauer, Gemeinschaftsunterkunft-Leiterin in Mellrichstadt wie auch in Bad Königshofen und Fladungen, durch das weitläufige Haus anschlossen.
Bereits der erste Blick, so hatte Sauer wissen lassen, werde zeigen, „wie schön der Umbau geworden ist“. Und sogleich wuchsen Neugierde und Spannung bei den Hausbesuchern an.
Diese lenkte Birgit Sauer gleich auf die Kernfrage generell: „Wann geht es los mit der Belegung?“ Noch im Januar (dritte oder vierte Kalenderwoche) werden laut ihrer Aussage die Asylbewerber in die Gemeinschaftsunterkunft kommen. Angestrebt wird ein ausgewogenes Mischungsverhältnis von Einzelpersonen und Familien.
Belegung in Raten
Die weitere Belegung wird in monatlichen „Raten“ aufgestockt, bis schließlich mit etwa 100 Asylsuchenden die Unterkunft voll belegt sein wird. Das Haus ist von der Regierung von Unterfranken für Unterkunftszwecke zunächst für zehn Jahre vom Landkreis Rhön-Grabfeld angemietet worden. Denn: Eine GU-Unterbringung kann auch mehrere Jahre dauern, bis über den Aufenthalt in Deutschland endgültig entschieden ist. Selbst dann könnten die Abgelehnten als Geduldete noch weiter in einer GU wohnen, heißt es laut Auskunft der Regierung von Unterfranken.
28 Zimmer für eine Belegung mit drei und vier Personen, mithin auch für kleine Familien mit einem oder zwei Kindern, stehen zur Verfügung, mehrere Zweibettzimmer sowie ein Einzelzimmer sind ebenso eingerichtet. Im Haus wird es in jedem Stockwerk Gemeinschaftsküchen geben, die Sanitäranlagen sind nach Geschlechtern getrennt ausgewiesen. Im Erdgeschoss sind die Gemeinschaftsduschen und Toiletten für Frauen untergebracht, die entsprechenden Einrichtungen für den Herrenbereich liegen im ersten Obergeschoss.
Für große Familien mit vier und sechs Personen sind im zweiten Obergeschoss zwei eigene Wohnungen komplett eingerichtet. Von allen gemeinsam genutzt werden beispielsweise Wasch- und Trockenraum wie auch der Abstell- beziehungsweise Lagerraum. Ein Fernsehanschluss ist in den Wohnräumen installiert, nicht aber eine Telefon- und Internetanbindung.
Da bleiben natürlich Fragen wie die nach einer Hausordnung oder der Frage nach geregelten Tagesabläufen nicht aus. Welche Aufgaben beziehungsweise Pflichten sind den Neuankömmlingen im Alltag zuzumuten? Birgit Sauer, die mit ihrem Unterkunftsteam auch noch für die Teilgemeinschaftsunterkünfte Bad Königshofen und Fladungen zuständig ist, stehen bei der Betreuung als Hausverwalter zwei weitere Mitarbeiter unterstützend zur Seite. Die Unterkunftsleiterin wie auch die Hausverwalter sind von der Regierung von Unterfranken mit ihren Aufgaben betraut worden. Außerdem hat Anfang des Jahres Lothar Schulz von der Diakonie Schweinfurt seine Sozialarbeit, die ihn in die Gemeinschaftsunterkünfte im Landkreis führt, aufgenommen.
Ein neues Kapitel
Mit der Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge wird für die ehemalige Berufsschule Mellrichstadt ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der Landkreis sehe sich moralisch in der Pflicht, „Menschen in Not aufzunehmen und ein wenig zu einer gerechteren Welt beizutragen“, betonte Landrat Thomas Habermann bei der offiziellen Schließung der Berufsschule am 28. April 2015. Und Bürgermeister Eberhard Streit ist sich mit dem Kreischef einig, dass „dort der beste Ort in der Stadt ist, um eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende einzurichten“.
Steht sie doch in zentraler Lage, und die Wege in die Innenstadt und zu den Einkaufsmärkten sind kurz. Der Standort ist nach Meinung des Bürgermeisters „ideal geeignet für gute Integrationsarbeit“.
Aus einer Schule, die junge Menschen einmal fit für das Berufsleben gemacht hat, ist mit der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende nun ein Haus geworden, in dem sie beginnen, das Leben in Deutschland zu lernen.