
"Buddenbrooks" – dieses berühmte Buch, das in der ganzen Welt bekannt ist und den Niedergang einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie über vier Generationen begleitet, hat seinem Verfasser Thomas Mann 1929 den Literatur-Nobelpreis eingebracht. Am vergangenen Samstag waren Figuren dieses großen Romans, der als einer der ersten Gesellschaftsromane in deutscher Sprache von Weltgeltung gilt, zu Gast im "Kloster Wechterswinkel".
Zumindest hatte man als Besucher bei dem Literaturkonzert "Die Buddenbrooks und die Musik" das Gefühl, hautnah Zeitzeuge des Geschehens zu sein, denn Schauspielerin Johanna Krumstroh las Passagen aus dem Buch mit einer derartigen Empathie, mit so viel Emotionen und Esprit vor, dass die Zuhörer vom Geschehen gefesselt wurden. Und dazu dann noch die Klangwelt des Vibraphons, mit der Oli Bott den Worten zusätzliche Farbe, Ausdruckskraft und Bedeutung verlieh – einfach ein Genuss an diesem Abend. Mal als Zwischenspiel, mal als Untermalung und Begleitung – die Atmosphäre, die sich durch das Wechselspiel von hellen und dunklen Tönen, durch fröhliche und gedämpfte Schwingungen des Vibraphons ergab, verstärkte die Wirkung der Worte, der Texte in eindrucksvoller Weise.
Gesellschaftliche Zwänge und Standesdenken
So versetzten die beiden Künstler das Publikum in die Welt des 19. Jahrhunderts, in der gesellschaftliche Zwänge und Standesdenken zu Einschränkungen in der individuellen Freiheit führten. Mit seiner besonderen, weit ausholenden, blumigen Sprache, die im 21. Jahrhundert ungewohnt klingt und wenig mit der heutigen Kommunikation gemein hat, beschreibt Thomas Mann das Leben der stolzen Patrizierfamilie Buddenbrooks in seiner Heimatstadt Lübeck, die im Getreidehandel zu Reichtum und Macht gelangt.
Johanna Krumstroh lässt die Besucher an der Mädchenfreundschaft von Antonie, "Tony" genannt, Buddenbrooks mit Armgard von Schilling und Gerda Arnoldsen im Mädchenpensionat ebenso teilnehmen wie am Werben ihres Bruders und späteren Buddenbrooks-Familienoberhauptes und Senators Thomas um ebendiese Gerda Arnoldsen, deren "fesselnde und rätselhafte Schönheit" ihn ebenso fasziniert wie die Aussicht auf 300.000 Kurantmark Mitgift.
Doch der langersehnte Stammhalter Justus Johann Kaspar Buddenbrooks, kurz "Hanno" genannt, entwickelt sich so gar nicht zu dem künftigen Kaufmannssohn, wie es sein Vater Thomas geplant und eingerichtet hat. Stattdessen "nascht" er schon mit sieben Jahren "ein bisschen Musik", lauscht hingebungsvoll den Klängen seiner musikbegeisterten Mutter auf ihrer Stradivari-Geige und der Kunst des Organisten Pfühl.
Breite niederdeutsche Sprechweise
Johanna Krumstroh imitiert in den Äußerungen der beiden in faszinierender Weise den niederländischen Dialekt von Gerda wie die breite niederdeutsche Sprechweise des Herrn Pfühl, was dem Vortrag zusätzlich Farbe verleiht.
Als Hanno am achten Geburtstag eine selbst komponierte "Fantasie" erklingen lässt, dabei eine "Woge unaussprechlicher Beseeligung seinen Mund" umspielt und er von seiner Tante Tony gar als neues Mozartsches Wunderkind verklärt wird, spürt Vater Thomas die "feindselige Macht der Musik", die seine Lebenspläne für Hanno zu durchkreuzen droht. Während für Ehefrau Gerda "Musik weit mehr als ein Ohrenschmaus" ist, wünscht Thomas nichts mehr, als dass sein Sohn "ein tüchtiger Mann" wird.
Doch Hanno und sein Vater entfremden sich zusehends. Besonders dramatisch und mit viel Hingabe und ausdrucksstark wird von Johann Krumstroh und Oli Bott die Abschlussszene des Literaturkonzertes dargestellt, als Thomas Hanno wutentbrannt zur Rede stellt, der gedankenverloren einen doppelten Schlussstrich unter die Familienchronik in dem so wohlbehüteten Goldschnittheft gezogen hat. Eine Handlung mit symbolischem Charakter.