Das Jahr 1951 liegt aus heutiger Sicht sehr weit zurück. Der Zweite Weltkrieg war gerade mal seit sechs Jahren vorbei, Konrad Adenauer war Bundeskanzler in der sich neu formierenden Bundesrepublik Deutschland, und die Welt blickte voller Sorge nach dem fernen und kriegsgeschüttelten Korea. Für Helga und Dr. Frieder Voigt ist das Jahr 1951 aber ein ganz besonderes: Am 29. Dezember 1951 haben sich die Eheleute in einer Kirche in Aachen das Ja-Wort gegeben. Am heutigen 29. Dezember feiern Helga und Frieder Voigt ihren 70. Hochzeitstag, das seltene Jubiläum einer Gnadenhochzeit.
Helga Voigt erinnert sich gerne an den Hochzeitstag. Eine ganz kleine Feier mit ganz wenigen Personen war es gewesen. Dennoch hatte sich ihr frisch getrauter Ehemann nicht lumpen lassen und weiße Pferde und eine weiße Kutsche für die Hochzeit bestellt. Die anschließende Hochzeitsreise führte das Ehepaar nach Koblenz an den Rhein.
"Vater" der Stadtbuslinie Nessi
Siebzig Jahre sind sie nun verheiratet, davon lebten sie mehr als 60 Jahre in Bad Neustadt. Frieder Voigt und seine Frau Helga haben in der Kreisstadt ihre Spuren hinterlassen. Frieder Voigt gilt in Bad Neustadt als "Vater" der Stadtbuslinie Nessi. Helga Voigt hat, nachdem die Kinder aus dem Haus waren, das Malen für sich entdeckt und war viele Jahre ehrenamtlich im Kunstverein tätig.
Kennengelernt haben sich Frieder Voigt, Jahrgang 1928, und seine 1930 geborene Frau Helga in Leipzig. Frieder machte dort eine Ausbildung zum Schlosser, wollte aber viel mehr. Ein Studium verwehrte ihm die Deutsche Demokratische Republik jedoch. Als sich Anfang der 50er Jahre die Koreakrise zuspitzte und Frieder Voigt mit einer Einberufung hätte rechnen müssen, stand der Entschluss fest, die DDR hinter sich zu lassen. Voigt hatte bereits im Zweiten Weltkrieg mit 15 Jahren dienen müssen. Die Aussicht, in einen erneuten Krieg als Soldat hineingezogen zu werden, war für Frieder Voigt gänzlich unvorstellbar. Er floh mit einem gefälschten Pass aus der DDR. Seine damals noch zukünftige Frau folgte ihm wenig später nach.
Anstellung bei der Firma Siemens
Mehrere Stationen in Deutschland durchlebten die jungen Leute, bis Frieder Voigt in Aachen ein Studium des Maschinenbaus aufnehmen konnte. Nach dessen Abschluss und der Promotion im Fachgebiet Aerodynamik widmete sich Dr. Frieder Voigt seiner Karriere, während Ehefrau Helga für die insgesamt vier Kinder und das Zuhause sorgte und sich im Volleyball und Tennis sportlich betätigte.
Im Jahre 1960 erreichte ein Ruf der Firma Siemens Hausgeräte in Bad Neustadt das Ehepaar. Frieder Voigt folgte dem Ruf und fand dort die Anstellung, die er bis zu seiner Pensionierung behalten sollte. Helga Voigt folgte ihrem Ehemann nach und zog alsbald in die Wohnung in der Berliner Straße, in der sie bis heute lebt. Die vier Kinder sind dort groß geworden, mittlerweile haben diese für elf Enkel und diese wiederum für sieben Urenkel gesorgt.
Anfang der 1990er Jahre beendete Dr. Frieder Voigt seine aktive Berufslaufbahn und widmete sich einem Hobby, das ebenso wie der Maschinenbau seine Berufung darstellte: Der Verkehrsplanung. In dreijähriger Arbeit tüftelte Voigt eine Stadtbuslinie für Bad Neustadt aus, plante Strecken wie Haltestellen, fuhr diese mit dem Auto ab, um Daten für mögliche Fahrpläne zu erhalten. Das Projekt einer Stadtbuslinie in einer Kleinstadt war nicht unumstritten. Aber Voigt fand im damaligen Bürgermeister Josef Schlagbauer den richtigen Ansprechpartner. Mitte der 1990er Jahre nahm die "Nessi" ihren Betrieb auf. Für Frieder Voigt ein Riesenerfolg und sein ganzer Stolz. Sowohl Strecken wie auch Fahrpläne der "Nessi" tragen bis heute die Handschrift Voigts.
Im Kunstverein Bad Neustadt engagiert
Während Frieder Voigt die Nessi und später auch das Radwegenetz um Bad Neustadt plante – unter anderem plädierte er schon früh für eine Fußgängerbrücke über die Brend nahe der Meininger Straße – entdeckte seine Frau Helga das Malen für sich. Eine große Zahl an Bildern entstand in einem eigenen Malzimmer, ihrem Atelier. Im Kunstverein Bad Neustadt engagierte sich Helga Voigt viele Jahre lang in der Vorstandschaft.
Ihre Gnadenhochzeit zum 70. Hochzeitstag feiern Helga und Frieder Voigt im ganz kleinen Familienkreis. Mehr kann der gesundheitlich angeschlagene Frieder Voigt auch gar nicht mehr. Nach einer schweren Krise vor vier Jahren lebt Frieder Voigt heute im BRK-Altenheim. Dort besucht ihn seine Frau Helga Tag für Tag. Als die erste Coronakrise das unmöglich machte, durchlitt das Ehepaar eine schwere Zeit. Jetzt sind die täglichen Besuche wieder möglich, wenn auch die jedes mal zuvor notwendige Schnelltesterei für Helga Voigt eine Last darstellt. Aber für ihren Mann Frieder nimmt sie die gerne auf sich.