Die ersten braunen Blätter wirbeln durch den Innenhof, tanzen in kleinen Kreisen um den Stamm einer alten Linde. Seit 1892 steht der stämmige Baum im Zentrum des Simonshofes. Ein stummer Zeuge, der die 125-jährige Geschichte des Heimathofs fast vollständig erlebt hat. Unter dem schattigen Blätterdach sitzen die Bewohner bei schönem Wetter zusammen. Heute genauso wie schon Jahrzehnte zuvor.
Erste Spuren des Simonshofes finden sich bereits im zwölften Jahrhundert, als ein Wasserschloss im Besitz der Herren von Bastheim den Namen „Schloss Simonides“ trug. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte erwarb das Kloster Wechterswinkel den Grundbesitz, 1887 wurde er vom Verein für Arbeiterkolonien in Bayern erworben. Das Anwesen bestand zu dieser Zeit aus vier kleinen Bauernhöfen und der Mühle am Elsbach. Alte, sepiafarbene Fotografien dokumentieren im Eingangsbereich des heutigen Verwaltungsgebäudes die frühe landwirtschaftliche Nutzung des Hofs. „Damals kamen vor allem Wanderarbeiter, denen hier gegen Mitarbeit auf den Feldern Kost und Logis geboten wurde“, sagt Leiter Albrecht Euring. In den Kriegsjahren wurde der Trägerverein jedoch aufgelöst, nach 1945 ging der Hof an das Land Bayern.
„In der Nachkriegszeit bot der Simonshof auch heimatlosen Jugendlichen Unterkunft und Ausbildungsmöglichkeiten in Handwerksberufen“, sagt Euring. Daneben bot der Hof eine Heimat für Wohnsitzlose. Mit der Übergabe an den Caritasverband der Diözese Würzburg wurde 1951 festgeschrieben, dass der Hof „allzeit als Heimat- und Fürsorgehof zu erhalten“ sei. Demzufolge wurde das Konzept neu ausgerichtet: Fortan lag der Schwerpunkt auf der Eingliederung von Menschen, „die wegen ihrer besonderen sozialen Schwierigkeiten für die üblichen sozialen Hilfen nicht mehr erreichbar sind“, so heißt es auf der Internetseite des Simonshofes. Gemeint sind Menschen, die durch Schicksalsschläge jeden Halt im Leben verloren haben. „Mancher fällt ganz plötzlich aus dem Leben heraus, landet unter der Brücke und findet vielleicht irgendwann den Weg zum Simonshof“, sagt Euring. Wer hier lebt, ist freiwillig in der Rhön. Akademiker oder Menschen, die nach langjähriger Haft nicht mehr im Alltag zurechtkommen – sie alle fanden und finden Aufnahme auf dem Simonshof.
In den 60er und 70er Jahren waren das zunächst noch überwiegend Arbeiter, die bereits über handwerkliche Fähigkeiten verfügten. Viele hatten Job und Wohnsitz verloren und konnten in den Werkstätten leicht wieder integriert werden. In dieser Zeit florierte der Simonshof, galt zudem mit seinen riesigen Landwirtschaftsflächen als Vorzeigebetrieb in der Region. Ein Großteil der nötigen Versorgung für die Bewohner wurde selbst produziert, zum jährlichen Erntefest kamen die Besucher in Strömen aus dem ganzen Landkreis.
Und auch wenn in der Rhön noch verhältnismäßig lange Handarbeit eingesetzt wurde, die Mechanisierung veränderte auch den Simonshof. Seit 1998 sind die Felder verpachtet. Statt handwerklich geschulten Wohnsitzlosen suchen heute verstärkt Menschen aus sozial schwierigen Verhältnissen Aufnahme. Mancher hat psychische Probleme, mancher wegen Drogen oder Alkohol Familie, Arbeit und Wohnsitz verloren. „Wir hatten schon Professoren, die den Schweinestall gehütet haben“, sagt Euring. Für viele von ihnen ist der Simonshof ein Rückzugsort und eine späte, vielleicht letzte Chance, noch einmal eine Art Heimat zu finden.
Daneben wächst in den letzten Jahren vor allem die Zahl an alten und an Demenz erkrankten Menschen, die auf dem Simonshof Betreuung suchen. Bereits 1971 als erstes Altenheim für wohnsitzlose Menschen in Bayern eröffnet, ist das Camillus-Haus seit 2007 ein reines Pflegeheim. Neben ehemals wohnungslosen Menschen kommt über ein Drittel der hier Versorgten mittlerweile aus der Region. Insgesamt leben momentan 190 Menschen am Simonshof, dazu kommen über 150 Mitarbeiter.
Mit ihnen die Pflege und Betreuung zu modernisieren und immer wieder an die Bedürfnisse der Bewohner anzupassen, sei in Zukunft die Herausforderung. Denn: „Das Bild vom freundlichen Helfen, in dem jeder versorgt ist, ist schön“, sagt Euring. „Unsere Realität, die Realität der Pflegebedürftigen und Wohnsitzlosen, sieht aber anders aus.“ Die meisten Bewohner haben kein Geld, dennoch fühlen sich viele Bewohner zufrieden, erleben den Simonshof als Heimat. „Wir sind wie ein kleines Dorf“, sagt Albrecht Euring. Mit Wohn- und Wirtschaftsbereichen, Sägewerk, Werkstätten, kleinem Laden und Café, nicht nur für die Bewohner, sondern für „jeden offen“.
An diesem Freitag, 21. September, feiert der Simonshof mit einem großen Festakt sein 125-jähriges Bestehen. Bischof Friedhelm Hofmann hat sein Kommen zugesagt, Prominenz aus Kirche und Politik wird erwartet. Es soll ein großer Tag werden für den Hof und Albrecht Euring. Der gebürtige Oberelsbacher leitet seit über fünf Jahren die Einrichtung, weil er „irgendwie schon immer diese soziale Ader hatte“, wie er sagt – schulterzuckend und ohne Pathos. Trotz Bischof und Politik ist es ihm wichtig, „das Fest zu denen zu tragen, die der Simonshof sind, nämlich zu den Bewohnern“. Deshalb gibt es am Sonntag, 23. September, ein Spanferkelessen und Musik im Innenhof, direkt unter der alten Linde. Dort will man zusammensitzen, essen, reden und sich zu Hause fühlen.
125 Jahre Simonshof
Das Jubiläum wird am Freitag, 21. September, groß gefeiert. Im Mittelpunkt steht der Festgottesdienst mit Bischof Friedhelm Hofmann um 16 Uhr, an den sich dann der Festakt um 17.30 Uhr anschließt. Ein Klarinetten-Trio des Musikvereins Oberelsbach, der Musikverein Bastheim sowie eine Jugendband aus Würzburg sorgen für Musik.
Für die Bewohner ist dann am Sonntag, 23. September, ein Spanferkel-Festessen geplant. Zum geselligen Beisammensein unterhalten Gerhard Hippeli aus Bad Neustadt und Michael Schneider aus Unterwaldbehrungen (Akkordeon) sowie Helmut Handwerker aus Unterelsbach (Ziehharmonika) von 10.30 bis 11.30 Uhr im Pflegeheim, ein Standkonzert an der Linde gestaltet die Trachtenkapelle Rödles von 11 bis 12 Uhr.
Die Öffentlichkeit kann am Sonntag, 30. September, beim Tag der offenen Tür einen Blick hinter die Kulissen des Simonshofes werfen. Der Tag beginnt mit einer ökumenischen Erntedankfeier mit Dekan Gerhard Hausmann, Dekan Andreas Krefft und Diakon Hans-Günther Zimmermann. Dazu spielt der Posaunenchor Oberwaldbehrungen. Mittags gibt es „Simonshöfer Erbseneintopf“ sowie Gulaschsuppe. Am Nachmittag stehen Hofrundgänge und Filmvorführungen auf dem Programm. Für Musik sorgen die Jagdhornbläser der Kreisgruppe Mellrichstadt, die Kolpingkapelle Unterwaldbehrungen und der Musikverein Bastheim.