Mit ihrer modernen Pieta hat die Bischofsheimer Künstlerin Johanna Helle schon vor zwei Jahren Aufsehen erregt. Es war ihre Abschlussarbeit an der Berufsfachschule für Holzbildhauerei. Es ist eine Darstellung, die das empathische Miteinander in den Vordergrund stellt. Doch sie noch mehr, sie ist aus der heutigen Zeit für die heutige Zeit.
Inspiriert wurde die junge Künstlerin durch das "World Press Photo of the Year 2012". Es zeigt eine jemenitischen Mutter, die ihren Sohn im Armen hält, der von militanten Gruppen mit Tränengas angegriffen wurde, weil er bei einer Demonstration mitwirkte. Dieses Ereignis fand am 15. Oktober 2011 in Sanaa, Jemen, statt. "Ich habe das Bild gesehen und sofort das Bild einer Pieta vor meinen Augen gehabt", erinnert sich Helle. Ihr war klar, dass dieses Bild und der Schrecken der Gewalt auf der arabischen Halbinsel Anlass genug sind eine "Moderne Pietà" zu erstellen.
Was ist Andersraum 2020?
Nun war diese Pieta Mittelpunkt eines bundesweit interessanten Projektes in Nordrhein-Westfalen, genauer im Lennep, einem Stadtbezirk von Remscheid. Das Projekt trägt den Namen "Andersraum2020". Es geht darum, Kirche neu zu denken. Die Kirche, die neu gedacht wurde, heißt St. Bonaventura und steht in Lennep.
Alle Bänke waren ausgelagert und der leere Raum farbig illuminiert. Die Kirche verwandelte sich täglich in einen Kunsttempel, eine Dancehall, einen Konzertsaal, eine Festtafel, ein Pfadfinderlager, eine Bühne für Vorführungen und Workshops, in einr Raumlandschaft für Parkour & Theater und einen Ort des interreligiösen Austauschs.
Empathie erwecken
Johanna Helles moderne Pieta stand im Mittelpunkt dieses "Andersraums". Die Anfrage an die Bischofsheimerin kam von Andy Dino Iussa. Er ist Organisator des Projektes und Mitarbeiter beim Lotsenpunkt Lennep, der den "Andersraum 2020" organisiert. "Er hatte schon zu meinem Abschluss 2017 von meiner Skulptur gehört und darauf gewartet, sie richtig einsetzen zu können", berichtet die Künstlerin.
Johanna Helle war zur Vernissage in Lennep, um ihre Pieta vorzustellen. Der Kunsthistoriker Markus Juraschek-Eckestein sprach über die Entstehung der Pieta, ihrer Entwicklung in der Kunstgeschichte und über das damit verbundene Thema "Erweckung von Empathiefähigkeit". Die Pieta versinnbildlicht in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als sogenannte "Mater Dolorosa", als Schmerzensmutter. In ihrem Schoß hält sie den Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus.
Es uns allen um die selbe Sache
Das für Helle Besondere war aber das Religionsübergreifende in diesem "Andersraum". Gekommen waren ein Imam, ein Jude, ein Christ und eine Bahai. Sie sangen Lieder in ihrer Sprache und erläuterten diese. "Hier fiel auf, dass der Unterschied zwischen unseren Religionen gar nicht so groß ist und es uns allen um die selbe Sache geht", sagt Helle. So möchte sie ihre Pieta auch verstanden wissen. "Aufforderung meiner Skulptur ist, über jegliche Barrieren, wie Herkunft, Glaube etc. hinwegzusehen und den Menschen zu sehen, der einem gegenüber steht und mit diesem Menschen fühlen zu können: Empathie."
So wurde die Kirche St. Bonaventura mit der modernen Pieta aus der bayerischen Rhön zum Ort neuer Begegnungen mit sich, mit anderen, mit Gott. Es war ein offenes Angebot für alle Menschen – unabhängig von Unterschieden in Glauben, Herkunft und Generation. Die leere Kirche gab Raum zur Entfaltung für "Ideen des Menschseins". Es wurden Fragen thematisiert wie "Wie werde ich Mensch?" Und: "Wie soll Kirche morgen sein?"
Johanna Helle ist begeistert von diesem Projekt: "Ich bin immer noch überwältigt von der Positivität, die dort herrschte, und dem Miteinander. Es war das perfekte Rahmenprogramm für meine Skulptur."