Hans Söllner war selbst überrascht, dass die Stadthalle nahezu bis zum letzten Platz gefüllt war. Ja er freute sich, dass es noch die Unbequemen gibt, die ihn ein Stück weit als Sprecher der Unzufriedenheit ansehen. Auch wenn er inzwischen etwas zahmer daherkommt, als Aushängeschild der Nonkonformisten taugt er allemal.
Ohne Rastalocken
Deutlich beschaulicher geht es inzwischen bei seinen Konzerten zu. Während früher „die Post richtig abging“, wie eine Besucherin beteuert, lauschte das Publikum brav dem Barden – allenfalls knallten ein paar Bierverschlüsse. Schön längst sind die Rastalocken gefallen und statt eines Weißbieres steht ein Glas Wasser griffbereit.
Abneigung bleibt
Auch die Texte wirken etwas geläuterter. Als Großvater gibt er jetzt Erziehungstipps für seinen Enkel – die freilich auf die Gewährung möglichst großer Freiheiten zielen.
Natürlich hat sich nichts an seiner Abneigung gegenüber Polizei, Rechtsprechung und CSU geändert – was sich in einer Anzeigenkampagne gegen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt äußert, der wegen seines Abstimmungsverhalten zur Glyphosatverordnung in die Kritik geraten war.
Weigerung zur Anpassung
Söllner ist aber auch ein Relikt einer Subkultur, die sich immer stärker in Auflösung befindet. Vielleicht erklärt sich seine Beliebtheit aus der Weigerung zur Anpassung. Auch wenn Söllner stark vom Schwarz-Weiß-Denken geprägt ist, er ist einer der letzten Vertreter einer gesellschaftlichen Strömung, die mit aller Konsequenz für ihre Sache kämpft. Seine Aufforderungen klingen allerdings schon wie verzweifeltes Flehen, wissend, dass sie vergeblich sind – aber notwendig, weil sie vielleicht doch am Gewissen rütteln.