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Meiningen
Der letzte Tag des Sommers
Als ihnen Jacky über den Weg läuft, ändert sich Pascals und Victors Leben von einer Sekunde zur anderen (von links:  Max Rehberg, Alonja Weigert und Julius Gruner).
Foto: Christina Iberl | Als ihnen Jacky über den Weg läuft, ändert sich Pascals und Victors Leben von einer Sekunde zur anderen (von links:  Max Rehberg, Alonja Weigert und Julius Gruner).
Siggi Seuß
 |  aktualisiert: 13.05.2024 02:45 Uhr

Was braucht man, um einen spannenden Roman so auf die Bühne zu bringen, dass das Publikum der Geschichte von Anfang bis Ende mit gespitzten Ohren und wachen Augen folgt? Das Junge Staatstheater Meiningen wagt sich in einer Uraufführung in den Kammerspielen an die Dramatisierung des erfolgreichen Coming-of-Age-Romans "Man vergisst nicht, wie man schwimmt" des gebürtigen Oberpfälzers Christian Huber.

Was braucht man zuallererst? Eine einfühlsame Adaption und Regie, die Tiefe und Rhythmus einer Geschichte auslotet. Dann: Drei quicklebendige Schauspieler. Und ein Bühnenbild, das allen Träumen und Ereignissen freien Raum lässt. Gabriela Gillert hat den Roman adaptiert und inszeniert.–31. August 1999: ein Sommertag in einem Provinznest. Der 15-jährige Pascal, der von seinen Mitschülern nur abfällig "Krüger" gerufen wird, hütet gegenüber Fremden ein Geheimnis. Er will nicht mehr schwimmen und er will sich niemals verlieben. Deshalb scheut er jede Art von Gemeinschaft. Sein einziger Vertrauter ist sein Tagebuch, das er immer mit sich führt. Nur der unternehmungslustige, quirlige Kumpel Victor kommt Pascal nahe. Bis im Lauf des Tages die gleichaltrige Jacky ins Leben von Pascal und Victor tritt, die als Artistin mit einem Zirkus über Land tingelt. Ob Pascal will oder nicht: Die erste Liebe erwischt ihn voll. Ab diesem Moment überstürzen sich die Ereignisse. Die Schlamassel, in die die drei an diesem einen Sommertag geraten, nehmen sogar lebensgefährliche Ausmaße an.

Braucht man zur Verinnerlichung der Handlung ein naturalistisches Provinznestbühnenbild? Wohl kaum. Der Kostüm- und Bühnenbildner Hans Werner, Student der Dresdner Hochschule der Bildenden Künste, entwarf eine Kulisse voller meeresblauer Kissen, mit ein paar Würfeln darin, die wie kleine Rettungsinseln wirken – Symbole für die Tiefen und Untiefen des Lebens, durch die pubertierende junge Menschen mehr treiben als schwimmen. Darüber ein fantastischer Sternenhimmel aus hängenden Lichterketten, der sich flugs in andere atmosphärische Stimmungen wandeln kann. Und dazwischen – wie ein Refugium auf Zeit – ein erhöhter Laufsteg quer über die Szene, auf dem man für Augenblicke Abstand vom irdischen Treiben gewinnen könnte.

Dann die drei Schauspieler. Alonja Weigert (Jacky) und Max Rehberg (Pascal) kennt man schon als Traumpaar in "Die Schöne und das Biest". Dazu stößt als Gast Julius Gruner in der Rolle des Victor, der einen sogleich an eine tragikomische Figur in einem der besten Coming-of-Age-Filme erinnert, an River Phoenix als Chris Chambers in "Stand By Me – Das Geheimnis eines Sommers". Weigert, Rehberg und Gruner sind ein bewundernswert aufeinander eingespieltes Team. Sie werfen sich gegenseitig die Bälle zu – oder besser: die Kissen. Wenn es sein muss, fallen sie aus der Rolle und wenden sich ans Publikum, um den augenblicklichen Stand der Dinge zu erklären oder zu kommentieren. In ihrer Konversation nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Sie reden und quatschen und faseln, nahezu ununterbrochen, Wort für Wort erfrischend nah an der Sprache junger Menschen in dieser Zeit - unkonventionell, direkt und ehrlich. Pascal ist dabei der Zögerliche, Victor der Ungestüme und Jacky umgibt eine leicht magisch wirkende Aura aus erfahrenem Leid und erkämpfter Klugheit.

Junge Menschen werden dieses Stück lieben. Vielleicht, weil sie in der Geschichte etwas aus ihrer eigenen Wirklichkeit wiederentdecken. Vielleicht, weil sich die Inszenierung so herzerfrischend direkt ins Gemüt drängt.

Die nächsten Vorstellungen sind am 11. und 17. Mai, 17. Juni. Kartentelefon: (03693) 4521-222. www.staatstheater-meiningen.de

Ein paar stille Augenblicke über dem Meer aus Plagen: Pascal und Jacky (Max Rehberg und Alonja Weigert).
Foto: Christina Iberl | Ein paar stille Augenblicke über dem Meer aus Plagen: Pascal und Jacky (Max Rehberg und Alonja Weigert).
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