Im Januar hat Bernd Müller einen nicht ganz gewöhnlichen Weg eingeschlagen: "Ich wollte mal ein bisschen über den Tellerrand rausschauen und hab' eine Ausbildung zum Brot-Sommelier angefangen". Die gibt es seit 2015, ist berufsbegleitend, dauert zehn Monate und beinhaltet acht Module mit je drei Tagen Schule an der Akademie für Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim (Baden-Württemberg).
Wie ein "normaler" Sommelier ist der Brot-Sommelier auch ein Spezialist – aber eben nicht für Wein, sondern für Brot. "Wir lernten im Unterricht, woher Brot überhaupt kommt, wie alt die Brotkultur schon ist, was es für unterschiedliche Aromen gibt und welches Brot zu welchem Wein oder Käse passt", erklärt Müller. Teilweise kamen hochkarätige Referenten wie der Fernsehkoch Johann Lafer in den Kurs und berichteten über regionale Brotspezialitäten, Brotsorten aus anderen Ländern und Kontinenten, Faktoren für Frischhaltung, Qualität und Haltbarkeit oder aktuelle Marktzahlen zum Brotkonsum. "Das war schon ziemlich anspruchsvoll", gibt Müller zu.
Prüfung nach zehnmonatiger Ausbildung
Am Ende der zehnmonatigen Ausbildung stand eine Prüfung an und eine 60-seitige Projektarbeit musste abgegeben werden, die neues Wissen rund ums Brot schaffen sollte. Bernd Müller hatte sich für das Thema "Verschwendung von Brot" entschieden. Weil sein Arbeitgeber, die Bäckerei Pappert, bereits aus Altbrot einen Gin herstellen lässt, kam Müller auf die Idee, aus eben diesem Brot-Gin ein neues Brot zu kreieren. Sein Ziel war es, den Lebensmittelkreislauf zu schließen. Eine nicht ganz einfache Angelegenheit, da Alkohol beim Backen bekanntlich verdampft. Aber gemeinsam mit der Destillerie fand er einen Weg, den charakteristischen Gin-Geschmack mit Gewürzen, darunter Wacholderbeeren und Koriander, hervorzuheben.
Der frischgebackene Brot-Sommelier selbst ist Bäckermeister mit Leib und Seele. Sein Beruf ist seine Berufung. In Weinheim hat er gelernt, Duft, Aussehen, Textur, Klang und Geschmack des Brotes zu erkennen und mit der "Weinheimer Brotsprache" zu beschreiben. Auch stand Betriebswirtschaft, Marketing und Medientraining auf dem Lehrplan, wie auch internationale Brotkultur und Produktkunde. Für die Prüfung musste er ganz schön büffeln.
Unterstützung von allen Seiten
Zu der anspruchsvollen Ausbildung, die erstmals alle 18 Teilnehmer erfolgreich beendet haben, habe ihn die Leidenschaft für das Bäckerhandwerk veranlasst. "Es hat unglaublich Spaß gemacht und ich habe viel gelernt, aber es war auch sehr zeitintensiv und nervenaufreibend", gesteht der 37-Jährige. Da war es gut, dass er von allen Seiten Unterstützung bekam. Seine Familie hielt ihm den Rücken frei und auch sein Arbeitgeber stand hinter ihm. "Das weiß ich echt zu schätzen."
Der viele Zeitaufwand und die Arbeit haben sich aber auf jeden Fall gelohnt: Denn jetzt gehört Bernd Müller zu den Pionieren der speziell ausgebildeten Brotexperten. Er ist einer von weltweit 124 Brot-Sommeliers (davon drei in Rhön-Grabfeld).