„Ich war gestern beim Tod – und es war lustig.“ Das Urteil eines Kindes auf einer Hospizstation über den Auftritt des Comedians, der sich „Der Tod“ nennt, trifft auch die Stimmung bei der Preisverleihung des 21. Thüringer Kleinkunstpreises. „Der Tod“ nahm im Großen Haus des Meininger Theaters das Preisgeld in Form eines Schecks über 5555,55 Euro entgegen. Erkauft sich etwa der Meininger Bürgermeister damit ein paar Wochen Lebenszeit und der Preissponsor, die ortsansässige Sparkasse samt ihrer Kulturstiftung Hessen-Thüringen, höhere Renditen?
Mitnichten. Dieser Tod ist unbestechlich. Jedenfalls in Sachen Fristverlängerung und Bonusprogrammen. Ansonsten weist er während seines zweistündigen Vortrags über „Mein Leben als Tod“ mehrfach auf den Verkaufsstand im Foyer hin, wo, neben allerlei Krimskrams, ein Spendenschädel steht, dem man, zum Beispiel für die Unterstützung von Hospizvereinen, Senioren- und Kinderprojekten, ein paar Scherflein durch die Nase drücken kann. Das könnte man Bestechlichkeit nennen. Allerdings für einen guten Zweck. Sehr menschlich vom Tod. Und tröstlich.
Was für eine außergewöhnliche Erscheinung ist dieser namenlose Kleinkünstler, insbesondere im Kreis von eitlen Comedians, die doch allesamt an einem sehr irdischen Image um die Wette basteln, mit Klarnamen, persönlichen Profilen und emsigen PR-Agenturen. Seltsamerweise hat auch dieser Komödiant ein außerordentlich klares Profil, so wie er seit vier Jahren mit seinen Programmen durch die deutsche Kleinkunstlandschaft, durch Krankenhäuser, soziale Einrichtungen, ja sogar durch Bestattungsinstitute und über Friedhöfe tourt. Ein Profil, das dem Märchenbuch entsprungen scheint: Er trägt eine schwarzgraue Ganzkörperkutte, die – wäre die Kapuze nicht spitz – leicht als Burka durchgehen könnte. Nicht zu vergessen: die Sense in der praktischen, zusammensetzbaren To-go-Ausführung. Verlässlich begleitet wird der Tod von seinem Alter Ego, dem „Blühenden Leben“ (ein Langweiler angesichts des Todes), seiner schweigsamen Praktikantin Exitussi und seiner styroporkugeläugigen Rechte-Hand-Katze Mautzi. Seine Imagekampagne geht nun mit einem neuen Programm ab Herbst in die nächste Runde: „Happy Endstation. Ein kleiner Reiseführer“.
Dieser Tod ist ein Phänomen. Und als Phänomen ein Unikat. In mehrfacher Hinsicht. Erstens: Er gibt als Künstler keinerlei biografische Daten preis. Zweitens: Er balanciert mit seinem Programm auf dünnem Eis zwischen Tabu und Offenheit. Drittens: Er jongliert mit hoher, unschuldig klingender Stimme souverän mit den Spielarten seines Themas, mit Assoziationen und Animationen, mit Pfiffigkeit und Charme, mit Ironie und Schwachsinn. Viertens: Er bewegt sich dabei manchmal in tiefen Gründen und tapst gerne auch durch seicht-flapsige Gewässer („Als Tod kann man jeden Mist auf der Bühne machen“). Und er zeigt fünftens auf, was in unserer Trauerkultur im Argen liegt: ein respektvoller und dennoch augenzwinkernd-freundlicher, manchmal vielleicht sogar fröhlicher Umgang mit dem Unausweichlichen. Das ist leicht gesagt und viel schwerer getan. Das weiß auch dieser „Death Comedian“, der sich trotz alledem oder gerade deswegen auf dem richtigen Weg befindet. Auch wenn uns weder er noch Google Maps verraten, wo denn das Jenseits liegt, geschweige denn, wie es dort aussieht.
Die Meininger Kleinkunsttage mit Auftritten der „Echse“, Sissi Perlinger, Henning Venske, Luise Kinseher, Abdelkarim und vielen anderen dauern bis 25. September. Als Nachspiel gibt es am 13. Oktober „Gehobene Unterhaltung mit humanitärem Beigeschmack“ mit Gerhard Polt und den Wellbrüdern.
Das ausführliche Programm und Karten gibt es im Internet unter www.meininger-kleinkunsttage.de