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BAD NEUSTADT
Der fremde Deutsche: Dr. Umes Wünsche an die Politik
Der fremde Deutsche: Dr. Umes Wünsche an die Politik       -  Vom Flüchtlingsjungen zum Herzchirurgen: Umeswaran Arunagirinathan, Arzt am Rhön-Klinikum Bad Neustadt, hat ein Buch zum Thema Integration geschrieben. Weil er sie selbst erfahren hat.  „Ich sehe aus wie eine Palme aus Sri Lanka, aber meine Wurzeln sind von deutscher Eiche“ – wenn jemand über Integration sprechen kann, ist es Umeswaran Arunagirinathan. Am Rhön-Klinikum Bad Neustadt absolviert der Mediziner gerade seine Facharzt-Ausbildung zum Herzchirurgen. Und Kollegen und Patienten nennen den 39-Jährigen einfach Dr. Umes – weil sein srilankischer Name für viele deutsche Zungen einfach unaussprechbar ist. Umes, so hatte ihn schon seine Mutter in Sri Lanka genannt. Damals, als er noch so klein war, dass ihn sein Vater auf den Schultern durch die Reisfelder trug. In einem Alter, in dem er glaubte, das Schrecklichste, was ihm im Leben begegnen könnte, sei ein wilder Elefant. Vor dem, so lehrten ihn die Eltern beim Durchqueren des Dschungels, müsse man stets im Zickzackkurs fliehen. Seither weiß der tamilische Junge: Der direkte Weg ist nicht immer der beste. Und: Bei allen Umwegen darf man nie sein Ziel aus den Augen verlieren.   Schlimmer als jeder Elefant war am Ende der Bürgerkrieg. Mit ihm kamen die tief fliegenden Hubschrauber, die Raketen und der Tod. Im Alter von zwölf Jahren, Anfang der 90er Jahre, floh Umes aus seiner Heimat Sri Lanka. Die Gefahr, als tamilischer Junge von der Rebellenarmee, den Tamil Tigers, als Kämpfer rekrutiert oder von Regierungssoldaten verschleppt zu werden, wurde zu groß. Die Mutter wollte den ältesten Sohn in Sicherheit wissen und schickte ihn dafür ins Ungewisse.  Umes' Schwester war zu diesem Zeitpunkt schon gestorben. Nierenversagen. „Ihre Krankheit war heilbar, aber wegen des Krieges hat sie die medizinische Versorgung, die sie hätte retten können, nicht bekommen“, sagt Umes. Für ihn war seitdem klar: Er muss Arzt werden.   Allein, ohne Eltern und Geschwister, als unbegleiteter Flüchtling war er acht Monate unterwegs, bis er sein Ziel Hamburg erreichte. Dort lebte ein Onkel, dort sollte der Familienälteste die Schule besuchen. Die Familie hatte sich hoch verschuldet, um das Geld für die Schlepper zusammenzubekommen.  Von seiner langen Flucht durch Asien und Afrika, von Hunger, Durst, Krankheit und Angst erzählt Umes in seinem ersten, 2006 erschienenen Buch „Allein auf der Flucht“. „Der fremde Deutsche“, heißt die Fortsetzung, die Ende 2017 erschien. „Ich bin kein Schriftsteller“, sagt Umes, „ich bin ein Erfahrener“.   Entsprechend ist das Buch auch kein Traktat über Integration, sondern ein autobiografischer Roman: Umes‘ Geschichte, der den deutschen Traum lebt, ein beeindruckendes Aufstiegsmärchen von einem Flüchtlingsjungen, der Abitur macht, Medizin studiert und auf dem besten Weg ist renommierter Herzchirurg zu werden. Es ist ein ehrliches Buch, das auch die enormen Anstrengungen, Stolpersteine und Herausforderungen auf dem Weg dahin nicht verschweigt. „Der fremde Deutsche“ Umes ist vor allem eines: Optimist und Menschenfreund. Mit Nelson Mandela glaubt er: Wer Hass lernen kann, kann auch lieben lernen. Denn Liebe sei ein viel natürlicheres Empfinden. Er preist die Lehrer, die ihn an der Gesamtschule im Hamburger Problembezirk Mümmelmannsberg unterstützten, die Menschen, die nach dem Abitur seine geplante Abschiebung verhinderten. Ohne dabei jene Patienten zu verschweigen, die sich auch heute noch nur ungern von einem dunkelhäutigen Arzt behandeln lassen. Einzelfälle, aber sie begegnen ihm. Statt in seine Augen blicken sie an die Wand, auf seine Fragen antworten sie mit Schweigen.   Deren Vorurteile lassen Umes unbeeindruckt. „Das sind für mich Patienten wie alle anderen auch.“ Und Umes behandelt sie. „Guter Junge“, war das Schönste, was einer von ihnen bei seiner Entlassung zu Umes sagte. „Vielleicht habe ich mit meinem Verhalten einem 80-jährigen Mann die Chance gegeben, nicht als Rassist zu sterben.“ Trotz allem gibt es Sätze, die Umes nicht mehr hören kann. „Du sprichst aber gut Deutsch“, ist so einer. Seit er 2015 zur Facharztausbildung in Bad Neustadt ist, begegnet der ihm immer, immer wieder. „Kein Wunder“, pflegt er lachend zu antworten, schließlich sei er Hamburger und dort werde Deutsch gesprochen. „In der Regel sind diese Menschen eher neugierig als fremdenfeindlich“, weiß Umes.   Es schmerzt ihn trotzdem, dass er aufgrund seiner Hautfarbe in den Augen vieler immer der Nicht-Deutsche bleiben wird. Umes' eigenes Empfinden ist ganz anders: Nicht nur, weil er mittlerweile auch offiziell deutscher Staatsbürger ist. Er fühlt sich auch deutsch: „Meine Wurzeln sind auf deutschem Nährboden groß geworden.“ Umes ist stolz auf die deutsche Verfassung und das Grundgesetz. Die alte Heimat Sri Lanka, vor allem das in vielen Köpfen zementierte Kastenwesen, ist dem Arzt fremd geworden.   Stolz ist er auch auf Angela Merkel. Das sage er als Nicht-CDU-Wähler und SPD-Mitglied. Denn sie habe im entscheidenden Moment Flüchtlingen die Tür geöffnet. „Das ist nicht typisch für uns Deutsche. Bevor wir etwas tun, überlegen wir normalerweise gründlich.“ Sie hingegen handelte rein humanitär, christlich, menschlich. Doch dabei, findet Umes, dürfe man es nun nicht bewenden lassen. Der ehemalige unbegleitete Flüchtling hat klare Forderungen an die Politik. „Jetzt müssen wir umso vernünftiger sein: Unsere Aufgabe ist es, mit diesen Menschen zu kommunizieren.“ Dafür sei es unerlässlich, dass die Flüchtlinge die deutsche Sprache lernen. Verpflichtend. „Jemand ist nicht freiwillig Flüchtling geworden, aber er ist freiwillig vor meiner Tür gestanden. Er hätte auch beim Nachbarn klopfen können.“  Nun müsse man konsequent sein, die Neuankömmlinge über die Regeln dieses Hauses unterrichten – man dürfe nicht den Fehler machen und davon ausgehen, dass sie diese kennen –  und diese dann mit Nachdruck durchsetzen. „Wenn jemand unsere Verfassung und unsere Grundgesetz nicht akzeptiert, hat er in Deutschland nichts verloren.“ Wie wichtig, aber auch schwierig das mitunter ist, hat Umes selbst in Bad Neustadt erlebt, als er einen 18-jährigen syrischen Flüchtling als Untermieter bei sich aufnahm. „Anfangs war ich enttäuscht“, erzählt Umes offen. Der Junge sei alles andere als dankbar gewesen, wünschte sich eine eigene Wohnung, einen großen Fernseher. Wer das bezahlen sollte, darüber hatte sich der 18-Jährige keine Gedanken gemacht. „Ich musste Aufklärungsarbeit leisten. Ihm von Steuergeldern erzählen. Ihm sagen: Ich bin einer von Deutschland, der das finanziert.“ Nach und nach habe der Junge mehr Verständnis entwickelt.  Muss es eine Grenze für humanitäres Handeln geben? Darüber hat sich Umes Gedanken gemacht: „Es gibt keine Maßlosigkeit im Haben und Handeln. Aber die Frage ist: Können wir als Menschen diese Grenze definieren?“ Er hat Zweifel. Zulässig ist es in Umes Augen aber durchaus, humanitäres Handeln mit gesellschaftlichem Gewinn zu kombinieren. Gerade am Rhön-Klinikum, wo der Anteil an ausländischen Ärzten sehr hoch sei, sehe er die Vorteile von Zuwanderung. Im Bereich Pflege und Gesundheitswesen könne der Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland schon jetzt nicht mehr gedeckt werden. „Warum machen wir die Flüchtlingspolitik nicht zur Zuwanderungspolitik?“ Notleidende aufnehmen, aber zugleich Bedingungen formulieren, im Sinne von: „Wir nehmen dich auf, bilden dich aus, dafür musst du soundso viele Jahre in diesem Berufszweig arbeiten.“ Das wäre in Umes Augen ein gangbarer Weg.  „Gott, was mach ich hier?“, habe er sich 2015 gefragt, als er nach Rhön-Grabfeld kam. Das Heimweh nach Hamburg war groß. Dabei wusste der Mediziner genau, was er in Bad Neustadt wollte: eine Facharztausbildung an einer Klinik mit „wunderbarem Ruf“.  Glücklicherweise, erzählt er, sei er sofort auf nette Nachbarn, tolle Vermieter, sympathische Kollegen getroffen. Bad Neustadts Berge trieben ihn in den Führerschein. Immer seltener stieg er auf seine „Gazelle“, wie er sein Fahrrad liebevoll nennt, stattdessen kaufte er in der Rhön sein erstes Auto. Er nahm am Bad Neustädter Stadtlauf teil, an Grillfesten des Rhön-Klinikums, kürzlich fuhr er mit der Intensivstation in den Skiurlaub. „Ich bin angekommen“, sagt Umes.  Dass er eines Tages in seine Heimat zurückkehren wird, ist für ihn dennoch ausgemachte Sache. Denn für Hamburg schlägt des Herzchirurgens Herz.
| Vom Flüchtlingsjungen zum Herzchirurgen: Umeswaran Arunagirinathan, Arzt am Rhön-Klinikum Bad Neustadt, hat ein Buch zum Thema Integration geschrieben. Weil er sie selbst erfahren hat.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:36 Uhr

„Ich sehe aus wie eine Palme aus Sri Lanka, aber meine Wurzeln sind von deutscher Eiche“ – wenn jemand über Integration sprechen kann, ist es Umeswaran Arunagirinathan. Am Rhön-Klinikum Bad Neustadt absolviert der Mediziner gerade seine Facharzt-Ausbildung zum Herzchirurgen. Und Kollegen und Patienten nennen den 39-Jährigen einfach Dr. Umes – weil sein srilankischer Name für viele deutsche Zungen einfach unaussprechbar ist.

Umes, so hatte ihn schon seine Mutter in Sri Lanka genannt. Damals, als er noch so klein war, dass ihn sein Vater auf den Schultern durch die Reisfelder trug. In einem Alter, in dem er glaubte, das Schrecklichste, was ihm im Leben begegnen könnte, sei ein wilder Elefant. Vor dem, so lehrten ihn die Eltern beim Durchqueren des Dschungels, müsse man stets im Zickzackkurs fliehen. Seither weiß der tamilische Junge: Der direkte Weg ist nicht immer der beste. Und: Bei allen Umwegen darf man nie sein Ziel aus den Augen verlieren.

Mit dem Bürgerkrieg trat der Tod in sein Leben

Schlimmer als jeder Elefant war am Ende der Bürgerkrieg. Mit ihm kamen die tief fliegenden Hubschrauber, die Raketen und der Tod. Im Alter von zwölf Jahren, Anfang der 90er Jahre, floh Umes aus seiner Heimat Sri Lanka. Die Gefahr, als tamilischer Junge von der Rebellenarmee, den Tamil Tigers, als Kämpfer rekrutiert oder von Regierungssoldaten verschleppt zu werden, wurde zu groß. Die Mutter wollte den ältesten Sohn in Sicherheit wissen und schickte ihn dafür ins Ungewisse.

Umes' Schwester war zu diesem Zeitpunkt schon gestorben. Nierenversagen. „Ihre Krankheit war heilbar, aber wegen des Krieges hat sie die medizinische Versorgung, die sie hätte retten können, nicht bekommen“, sagt Umes. Für ihn war seitdem klar: Er muss Arzt werden.

Acht Monate allein auf der Flucht

Allein, ohne Eltern und Geschwister, als unbegleiteter Flüchtling war er acht Monate unterwegs, bis er sein Ziel Hamburg erreichte. Dort lebte ein Onkel, dort sollte der Familienälteste die Schule besuchen. Die Familie hatte sich hoch verschuldet, um das Geld für die Schlepper zusammenzubekommen.

Von seiner langen Flucht durch Asien und Afrika, von Hunger, Durst, Krankheit und Angst erzählt Umes in seinem ersten, 2006 erschienenen Buch „Allein auf der Flucht“. „Der fremde Deutsche“, heißt die Fortsetzung, die Ende 2017 erschien. „Ich bin kein Schriftsteller“, sagt Umes, „ich bin ein Erfahrener“.

Das Aufstiegsmärchen von einem Flüchtlingsjungen

Entsprechend ist das Buch auch kein Traktat über Integration, sondern ein autobiografischer Roman: Umes‘ Geschichte, der den deutschen Traum lebt, ein beeindruckendes Aufstiegsmärchen von einem Flüchtlingsjungen, der Abitur macht, Medizin studiert und auf dem besten Weg ist renommierter Herzchirurg zu werden. Es ist ein ehrliches Buch, das auch die enormen Anstrengungen, Stolpersteine und Herausforderungen auf dem Weg dahin nicht verschweigt.

„Der fremde Deutsche“ Umes ist vor allem eines: Optimist und Menschenfreund. Mit Nelson Mandela glaubt er: Wer Hass lernen kann, kann auch lieben lernen. Denn Liebe sei ein viel natürlicheres Empfinden. Er preist die Lehrer, die ihn an der Gesamtschule im Hamburger Problembezirk Mümmelmannsberg unterstützten, die Menschen, die nach dem Abitur seine geplante Abschiebung verhinderten. Ohne dabei jene Patienten zu verschweigen, die sich auch heute noch nur ungern von einem dunkelhäutigen Arzt behandeln lassen. Einzelfälle, aber sie begegnen ihm. Statt in seine Augen blicken sie an die Wand, auf seine Fragen antworten sie mit Schweigen.

Ein Menschenfreund und Optimist

Deren Vorurteile lassen Umes unbeeindruckt. „Das sind für mich Patienten wie alle anderen auch.“ Und Umes behandelt sie. „Guter Junge“, war das Schönste, was einer von ihnen bei seiner Entlassung zu Umes sagte. „Vielleicht habe ich mit meinem Verhalten einem 80-jährigen Mann die Chance gegeben, nicht als Rassist zu sterben.“

Trotz allem gibt es Sätze, die Umes nicht mehr hören kann. „Du sprichst aber gut Deutsch“, ist so einer. Seit er 2015 zur Facharztausbildung in Bad Neustadt ist, begegnet der ihm immer, immer wieder. „Kein Wunder“, pflegt er lachend zu antworten, schließlich sei er Hamburger und dort werde Deutsch gesprochen. „In der Regel sind diese Menschen eher neugierig als fremdenfeindlich“, weiß Umes.

Stolz auf Deutschland

Es schmerzt ihn trotzdem, dass er aufgrund seiner Hautfarbe in den Augen vieler immer der Nicht-Deutsche bleiben wird. Umes' eigenes Empfinden ist ganz anders: Nicht nur, weil er mittlerweile auch offiziell deutscher Staatsbürger ist. Er fühlt sich auch deutsch: „Meine Wurzeln sind auf deutschem Nährboden groß geworden.“ Umes ist stolz auf die deutsche Verfassung und das Grundgesetz. Die alte Heimat Sri Lanka, vor allem das in vielen Köpfen zementierte Kastenwesen, ist dem Arzt fremd geworden.

Klare Forderungen an die Politik

Stolz ist er auch auf Angela Merkel. Das sage er als Nicht-CDU-Wähler und SPD-Mitglied. Denn sie habe im entscheidenden Moment Flüchtlingen die Tür geöffnet. „Das ist nicht typisch für uns Deutsche. Bevor wir etwas tun, überlegen wir normalerweise gründlich.“ Sie hingegen handelte rein humanitär, christlich, menschlich.

Doch dabei, findet Umes, dürfe man es nun nicht bewenden lassen. Der ehemalige unbegleitete Flüchtling hat klare Forderungen an die Politik. „Jetzt müssen wir umso vernünftiger sein: Unsere Aufgabe ist es, mit diesen Menschen zu kommunizieren.“ Dafür sei es unerlässlich, dass die Flüchtlinge die deutsche Sprache lernen. Verpflichtend. „Jemand ist nicht freiwillig Flüchtling geworden, aber er ist freiwillig vor meiner Tür gestanden. Er hätte auch beim Nachbarn klopfen können.“

Kommunikation und Konsequenz

Nun müsse man konsequent sein, die Neuankömmlinge über die Regeln dieses Hauses unterrichten – man dürfe nicht den Fehler machen und davon ausgehen, dass sie diese kennen – und diese dann mit Nachdruck durchsetzen. „Wenn jemand unsere Verfassung und unsere Grundgesetz nicht akzeptiert, hat er in Deutschland nichts verloren.“

Wie wichtig, aber auch schwierig das mitunter ist, hat Umes selbst in Bad Neustadt erlebt, als er einen 18-jährigen syrischen Flüchtling als Untermieter bei sich aufnahm. „Anfangs war ich enttäuscht“, erzählt Umes offen. Der Junge sei alles andere als dankbar gewesen, wünschte sich eine eigene Wohnung, einen großen Fernseher. Wer das bezahlen sollte, darüber hatte sich der 18-Jährige keine Gedanken gemacht. „Ich musste Aufklärungsarbeit leisten. Ihm von Steuergeldern erzählen. Ihm sagen: Ich bin einer von Deutschland, der das finanziert.“ Nach und nach habe der Junge mehr Verständnis entwickelt.

Humanitäres Handeln mit gesellschaftlichem Gewinn verbinden

Muss es eine Grenze für humanitäres Handeln geben? Darüber hat sich Umes Gedanken gemacht: „Es gibt keine Maßlosigkeit im Haben und Handeln. Aber die Frage ist: Können wir als Menschen diese Grenze definieren?“ Er hat Zweifel. Zulässig ist es in Umes Augen aber durchaus, humanitäres Handeln mit gesellschaftlichem Gewinn zu kombinieren.

Gerade am Rhön-Klinikum, wo der Anteil an ausländischen Ärzten sehr hoch sei, sehe er die Vorteile von Zuwanderung. Im Bereich Pflege und Gesundheitswesen könne der Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland schon jetzt nicht mehr gedeckt werden. „Warum machen wir die Flüchtlingspolitik nicht zur Zuwanderungspolitik?“ Notleidende aufnehmen, aber zugleich Bedingungen formulieren, im Sinne von: „Wir nehmen dich auf, bilden dich aus, dafür musst du soundso viele Jahre in diesem Berufszweig arbeiten.“ Das wäre in Umes Augen ein gangbarer Weg.

„Gott, was mach ich hier?“

„Gott, was mach ich hier?“, habe er sich 2015 gefragt, als er nach Rhön-Grabfeld kam. Das Heimweh nach Hamburg war groß. Dabei wusste der Mediziner genau, was er in Bad Neustadt wollte: eine Facharztausbildung an einer Klinik mit „wunderbarem Ruf“.

Glücklicherweise, erzählt er, sei er sofort auf nette Nachbarn, tolle Vermieter, sympathische Kollegen getroffen. Bad Neustadts Berge trieben ihn in den Führerschein. Immer seltener stieg er auf seine „Gazelle“, wie er sein Fahrrad liebevoll nennt, stattdessen kaufte er in der Rhön sein erstes Auto. Er nahm am Bad Neustädter Stadtlauf teil, an Grillfesten des Rhön-Klinikums, kürzlich fuhr er mit der Intensivstation in den Skiurlaub. „Ich bin angekommen“, sagt Umes. Dass er eines Tages in seine Heimat zurückkehren wird, ist für ihn dennoch ausgemachte Sache. Denn für Hamburg schlägt des Herzchirurgens Herz.

Die Familie Arunagirinathan im Jahr 1979: Umes mit seinen Eltern und der während des Bürgerkriegs in Sri Lanka verstorbenen älteren Schwester Ruji.
Foto: Archiv Arunagirinathan | Die Familie Arunagirinathan im Jahr 1979: Umes mit seinen Eltern und der während des Bürgerkriegs in Sri Lanka verstorbenen älteren Schwester Ruji.
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Foto: Arunagirinathan
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  • chk34
    Ich habe das erste Buch "Auf der Flucht" gelesen. Man bekommt einen Eindruck vom Leben in Sri Lanka und den Grausamkeiten. Wenn Herr Arunagirinathan es hier nun mit vielem Fleiß, Glück und Unterstützung geschafft hat, dann kann er zum Vorbild für andere Flüchtlinge sein. Interessant ist seine Erfahrung mit dem Flüchtling, den er selbst mal aufgenommen hat. Solche Leute wie Dr. Arunagirinathan sollten als Eingliederungshilfe den Ehrenamtlichen beistehen, es gibt ja mehr davon.

    Quelle: http://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/Buergerkriege-Herzchirurgen-Humanitaet-Wuensche;art765,9866767
    © Main-Post 2018

    Quelle: http://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/Buergerkriege-Herzchirurgen-Humanitaet-Wuensche;art765,9866767
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