Das Obere Streutal bietet hervorragende Bedingungen zum Anbau heimischen Obstes. Besonders das Kleinklima in Hausen ist hierfür optimal. Nicht umsonst wird der Ort als 'Streuobstdorf' bezeichnet. Bekannt ist die Modellgemeinde im Biosphärenreservat Rhön auch für ihren Apfelmarkt. Leider muss dieser aufgrund von Corona in diesem Jahr ausfallen. Keiner muss jedoch auf ungespritztes Obst aus Hausen verzichten. Man kann nach telefonischer Anmeldung direkt beim Erzeuger kaufen.
Doch auch ein spontaner Besuch in Hausen lohnt sich, besonders jetzt, da das Obst reif ist. Auf den Informationstafeln kann man hier sehr viel über die Hintergründe des Streuobstes lesen. Denn Streuobst ist weit mehr als nur Äpfel. Auch Mirabellen, Birnen, Zwetschgen, Quitten, Pflaumen und die Walnuss zählen dazu.
Streuobstwiesen-Lehrpfad ist ein echtes Highlight
Wer will, kann auch eine Führung durch den Streuobstwiesen-Lehrpfad machen oder diesen auf eigene Faust erkunden. Als absoluter Experte ist hier Adam Zentgraf vor Ort. Er ist der Hauptakteur des Arbeitskreises Streuobst und ein wandelndes Lexikon, wenn es um das Thema geht. Er hat sich sehr stark dafür eingesetzt, die lokalen Streuobstwiesen zu erhalten. Und das mit Erfolg: "Durch entsprechende Nutzung in den letzten Jahrzehnten ist der Streuobstgürtel um Hausen noch in weiten Bereichen erhalten", freut sich Zentgraf.
Darüber hinaus gibt es in Hausen auch eine Edelreiserbörse. Außerdem werden Schnitt- und Veredelungskurse angeboten. Doch wozu braucht man eigentlich Edelreiser? Die Lösung ist ganz einfach: Erst durch das sogenannte Aufpropfen eines Astes von einem schon veredelten Baum wird dafür gesorgt, dass die entsprechende Sorte auf dem Baum wächst. "Das hat den schönen Nebeneffekt, dass man an einem Apfelbaum mehrere Sorten haben kann", erläutert Zentgraf.
Apfelsorten sollen erhalten werden
Natürlich kann man hierzu einfach einen Apfelkern nehmen und ihn einpflanzen. Da es aber sehr lange dauert, bis daraus ein Baum wird, hat Zentgraf einen anderen Vorschlag: "Am besten ist es, sich aus einer Baumschule einen Baum zu besorgen. Wenn dieser drei Jahre alt ist, kostet er rund 30 Euro", weiß der Baumfreund. Daheim eingepflanzt dauert es dann nicht mehr lange, bis man ihn veredeln und das leckere Obst ernten kann. Durch die Edelreiserbörse kommen auch Anfragen aus dem Ausland, beispielsweise, wenn hier eine besondere Sorte gesucht wird. "Das Verschicken ist kein Problem. Wir hatten schon Anfragen aus Österreich und Holland, denen wir natürlich gerne nachgekommen sind", so Zentgraf.
Doch warum ist es eigentlich so wichtig, die verschiedenen Apfelsorten zu erhalten? "Wir haben in Deutschland eine enorme Artenvielfalt, es wird so um die 1000 bis 2000 Sorten geben", sagt Zentgraf. Besonders die alten Sorten seien hier sehr wertvoll. "Bei den neuen Sorten wurden oft die Polyphenole herausgezüchtet", so der Experte. Besonders diese wirkten aber entzündungshemmend und krebsvorbeugend, was sie besonders gesund mache. "Außerdem fehlt den modernen Sorten oft das besondere Aroma. Zudem sind sie für die Weiterverarbeitung oft nicht geeignet", sagt Zentgraf. Meist seien sie nur süß, der Säureanteil fehle einfach. "Ohne Säure ist es nicht möglich, Saft oder auch Wein aus den Äpfeln zu machen", weiß der Experte. Seine Lieblingssorte ist übrigens die 'Goldrenette von Blenheim', ein großer bis sehr großer Apfel mit goldgelber Schale, der sehr saftig ist und einen süßsauren, nussigen Geschmack aufweist.
Der Trend geht zum Apfelbaum im eigenen Garten
In Hausen kann jeder sein Lieblingsobst finden. Auf 60 bis 70 Hektar gibt es Streuobstwiesen, zwischen 4000 und 5000 Bäume befinden sich hier. Übrigens finden sich laut Zentgraf immer mehr Interessierte, die Apfelbäume pflanzen wollen und sich bei ihm Tipps holen. "Ich hatte schon Anrufe aus Erfurt, Würzburg und Bamberg. Sogar aus der Münchener Region kamen Anfragen", weiß er zu berichten.
Auch für die Natur seien die Streuobstwiesen ein Segen. Wichtige Bestäuber wie Wildbienen und Hummeln finden an den Blüten der Bäume reichlich Nahrung. "Wildbienen und Insekten fliegen, anders als die Honigbienen, auch bei drei oder vier Grad. Bei den kühlen Temperaturen übernehmen sie einen Hauptteil der Bestäubung", weiß der Experte. Viele Insektenarten bräuchten dabei die offene Landschaft mit dem Baumbestand, wie er für eine Streuobstwiese typisch sei. "Für die Artenvielfalt ist sie ein wahrer Segen", so Zentgraf. Deshalb freut ihn sehr, dass man diese traditionelle Bewirtschaftung wieder mehr pflegt. 5000 Tier- und Pflanzenarten findet man auf einer Streuobstwiese.
Interessantes rund um das Streuobst
- Dörrobst
- Apfelkuchen
- Apfelkompott, Apfelmus und vieles mehr
- Die Rother Bräu bietet Apfelbier an mit beigemischtem Apfelsaft.
- Annahmestellen für Bio-Äpfel: Riedel in Nordheim, Kelterei Söder in Sandberg.
- Wer selbst keltern will, hat dazu in Oberstreu, Mellrichstadt oder Rödles die Möglichkeit.
Baum- und Genussreife sind zu unterscheiden. Die Baumreife ist eingetreten, wenn sich die Frucht durch leichten Dreh vom Baum lösen lässt, ohne das Fruchtholz zu beschädigen. Das ist der richtige Zeitpunkt für die Ernte. Dieser Zeitpunkt kann in der Rhön je nach Höhenlage und Sorte ganz verschieden sein.
Für Tafelobst gilt, das Obst bei der Baumreife zu ernten, um hochwertige Qualitätsfrüchte einlagern zu können. Die Genussreife hierfür kann sich bei guter Lagerung je nach Sorte bis in den Frühling hinein ziehen.
Zum Vermosten ist die Genussreife ohne Bedeutung. Die meisten Sorten fallen bei der Baumreife allein vom Baum. Nur ganz frühe Sorten sollte man vor dem Mehligwerden schütteln. Auch ganz späte Sorten wie Ontario, Boiken und Bohnapfel sind sehr sturmfest und müssen Ende Oktober/Anfang November geschüttelt werden.Adam Zentgraf kann man unter Tel. (09778) 1479 erreichen, hier nimmt er auch Anmeldungen für Führungen entgegen.